Verjährung von Rückforderungsansprüchen nach BGH-Urteil zu Änderungsklauseln in Banken-AGB

Im Hinblick auf den AGB-Änderungsmechanismus in AGB der Banken und Sparkassen ist eine wichtige Schlacht geschlagen – und verloren. Die nächste steht allerdings unmittelbar bevor.

Nachdem der BGH in einem konkret die Postbank betreffenden Verfahren mit Urteil vom 27. April 2021 (XI ZR 26/20) die in der deutschen Kreditwirtschaft weitgehend wortgleich verwendeten Änderungsklauseln zu AGB-Änderungen im Allgemeinen sowie zu Zins- und Entgeltänderungen (Nr. 1 Abs. 2 und Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken a.F. bzw. Nr. 2 und Nr. 17 Abs. 6 und 8 AGB-Sparkassen a.F.) jeweils mit Zustimmungsfiktion für nicht widersprechende Kunden nach § 307 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden und Verstoßes gegen den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung der §§ 145 ff. BGB für unwirksam gehalten hat, hat die Kreditwirtschaft von der weiteren Verwendung der Klauseln jedenfalls im Verbrauchergeschäft Abstand genommen.

Der Ausgangskonflikt verlagert sich nun im Wesentlichen auf die nicht minder wichtige Frage, ob infolge dieser BGH-Rechtsprechung durch Kunden der Banken und Sparkassen geltend gemachte Rückforderungsansprüche nach § 812 BGB, etwa im Hinblick auf rechtsgrundlos gezahlte Entgelte, Kosten und Aufwendungen verjährt sind, soweit sie bereits im Jahr 2018 entstanden.

Entsprechende Rückforderungsansprüche unterliegen nach § 195 BGB der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners positiv Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Sofern diese Voraussetzungen im Jahr 2018 vorliegen, wären solche Rückforderungsansprüche mit Ablauf des Jahres 2021 verjährt.

Da mit der Verkündung des BGH-Urteils vom 27. April 2021 (XI ZR 26/20) feststeht, dass die betreffende AGB-Änderungsklausel der Postbank seit ihrer Verwendung unwirksam war, erfolgten Zahlungen der Kunden an die Bank, die auf Zins- oder Entgelttatbeständen beruhen, die gemäß der unwirksamen AGB-Änderungsklausel in Kraft gesetzt worden sind, grundsätzlich ohne Rechtsgrund. Für AGB-Änderungsklauseln anderer Banken und Sparkassen wird entsprechendes mit einer zu erwartenden flächendeckenden Rezeption des BGH-Urteils durch die Instanzgerichte gelten.

Weil aber nach dem Wortlaut des § 199 Abs. 1 BGB und der ständigen BGH-Rechtsprechung hierzu (siehe z.B. BGH XI ZR 160/07 Rz. 26) für den Verjährungsbeginn grundsätzlich nicht die Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der entsprechenden Rechtslage im Zeitpunkt der Zahlung durch den Gläubiger maßgeblich ist, sondern dessen Kenntnis der anspruchsbegründenden tatsächlichen Umstände, wirkt bereits die rechtsgrundlose Leistung der betreffenden Zahlung an die Bank verjährungsbegründend. Denn von den maßgeblichen Tatsachen (Zahlung auf vermeintliche Schuld, zugrunde liegender Zins- bzw. Entgelttatbestand basiert auf AGB-Änderungsmechanismus, Schuldner der Rückzahlungsforderung) haben die Kunden im Zeitpunkt der Zahlung positive Kenntnis. Jedenfalls hätten die Kunden zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt, die Zahlung an die Bank zu verweigern und die Wirksamkeit der Änderungsklausel und damit den Bestand des Zahlungsanspruchs der Bank gerichtlich prüfen zu lassen, sofern sie entsprechend der Regelung in Nr. 1 Abs. 2 und Nr. 12 Abs. 4 und 5 AGB-Banken a.F. bzw. Nr. 2 Abs. 1 und Nr. 17 Abs. 6 AGB-Sparkassen a.F. rechtzeitig im Vorfeld der Einführung einer Änderung des der Zahlung zugrunde liegenden Zins- bzw. Entgelttatbestands über Anlass und Rechtsgrund der zukünftigen Zins- bzw. Entgeltzahlungen informiert worden sind. Ohne eine solche Prüfung und Klageerhebung verhalten sie sich dann grundsätzlich grob fahrlässig, es sei denn die Klageerhebung ist ausnahmsweise nicht „zumutbar“. Das BGH-Urteil vom 27. April 2021 (XI ZR 26/20) stellt diese Grundsätze nicht in Frage.

Zumutbar ist die Klageerhebung nach ständiger Rechtsprechung des BGH, sobald sie „erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos möglich ist“ (BGH XI ZR 348/13 Rz. 56). Nach diesem Maßstab umgekehrt nicht hinreichend erfolgversprechend und unzumutbar ist die Erhebung der Klage bei einer erheblichen Unklarheit der Rechtslage im fraglichen Zeitpunkt des Verjährungsbeginns, „die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht aufzulösen bzw. einzuschätzen vermag“ (BGH III ZR 132/08 Rz. 14). Das sind Fälle, in denen die Wirksamkeit derartiger Klauseln etwa von verschiedenen Senaten des BGH oder der instanzgerichtlichen Rechtsprechung sowie der Literatur völlig unterschiedlich entschieden bzw. kontrovers diskutiert werden (ausführlich BGH XI ZR 348/13 Rz. 40 ff. zu Bearbeitungsentgelten bei Verbraucherdarlehen), während eine bloß divergierende OLG-Rechtsprechung bei fehlendem BGH-Urteil die Klageerhebung nach ständiger Rechtsprechung des BGH (siehe z.B. BGH XI ZR 348/09 Rz. 21; BGH III ZR 132/08 Rz. 14) grundsätzlich nicht unzumutbar macht.

Darüber hinaus kann die Klageerhebung bei einer entgegenstehenden Rechtsprechung unzumutbar sein, also in Fällen, in denen die Rechtslage im fraglichen Zeitpunkt des Verjährungsbeginns (vermeintlich) hinreichend zum Nachteil des Anspruchsstellers geklärt erscheint (BGH XI ZR 348/13 Rz. 35). Beide Unzumutbarkeitsgründe dürften hier nicht einschlägig sein. Eine divergierende höchstrichterliche Rechtsprechung oder eine unübersichtliche instanzgerichtliche Rechtsprechung im o.g. Sinne ist hier jedenfalls für die Zeit vor dem Jahr 2018 nicht erkennbar. Zum Thema der entgegenstehenden Rechtsprechung hat der BGH dies in seinem Urteil vom 27. April 2021 (XI ZR 26/20) im Wege eines obiter dictum – freilich nicht unter Verjährungsgesichtspunkten – ausdrücklich feststellt (Rz. 36: „Davon abgesehen lässt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine ausdrückliche Billigung von entsprechenden Klauseln nicht entnehmen. Weder bei Erlass seines Urteils vom 20.7.2010 (BGHZ 186, 269 = NJW 2010, 3510 Rn. 37 ff.) noch bei Erlass seines Urteils vom 14.5.2019 (BGHZ 222, 74 = NJW 2019, 2920 Rn. 34) hatte der Senat Anlass, zur Wirksamkeit von Zustimmungsfiktionsklauseln Stellung zu nehmen, und hat dies auch nicht getan.“).

Auch die jüngst ergangenen EuGH-Urteile vom 22. April 2021 (Rs. C-485/19) und vom 10. Juni 2021 (Rs. C-776/19 bis C-782/19) dürften der Verjährung von Kundenforderungen nach den o.g. Grundsätzen nicht entgegenstehen. Beide Entscheidungen ergingen zur Frage des Verstoßes von nationalstaatlichen Regelungen zum Verjährungsbeginn gegen den europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz in Fällen von Verbraucherzahlungen an Banken aufgrund wegen Verstoßes gegen die Richtlinie 93/13 (Klauselrichtlinie) missbräuchlicher Klauseln.

Der EuGH ist der Auffassung, dass solche Regelungen gegen den europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz verstoßen, die eine Verjährung von Ansprüchen des Verbrauchers anordnen, bevor der Verbraucher die Möglichkeit hatte, „von der Missbräuchlichkeit (…) Kenntnis zu nehmen“ (EuGH Rs. C-776/19 bis C-782/19 Rz. 47) bzw. „wenn der Verbraucher zu der Beurteilung, ob eine Vertragsklausel missbräuchlich ist, selbst nicht in der Lage ist oder keine Kenntnis von der Missbräuchlichkeit (…) hatte“ (EuGH Rs. C-485/19 Rz. 61). Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gebietet der Effektivitätsgrundsatz, dass nationales Recht die „durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren [darf]“ (EuGH Rs. C-485/19 Rz. 52).

Diese Voraussetzungen liegen in Gestalt des „kenntnisabhängigen“ Verjährungsbeginns nach § 199 BGB nicht vor. Denn einen zusätzlichen „Missbräuchlichkeitsmaßstab“ hat der deutsche Gesetzgeber in Kenntnis der Klauselrichtlinie neben der subjektiven Anknüpfung des Verjährungsbeginns offenkundig nicht für erforderlich gehalten. Hieran wird sich die deutsche Gerichtspraxis aus Gründen der Gewaltenteilung in Zukunft festhalten lassen müssen (keine europarechtskonforme Auslegung contra legem des nationalen Rechts, siehe zuletzt BGH XI ZR 198/19 Rz. 11 ff. zur sog. „Kaskadenverweisung“).

Den vom EuGH entschiedenen Fällen lagen im Übrigen auch jeweils andere Sachverhalte zugrunde, in denen allein an objektive Umstände (Annahme Darlehensangebot bzw. Zahlung an die Bank) anknüpfende Verjährungsvorschriften zur Anwendung kamen, so dass die EuGH-Entscheidungen nicht übertragbar sein dürften. Zudem folgt die o.g. ausdifferenzierte BGH-Rechtsprechung zum Verjährungsbeginn unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten seit vielen Jahren Gläubigerschutzüberlegungen, welche die Zumutbarkeit der Klageerhebung unter rechtlich unklaren Umständen an die Kenntnis eines vom Verbraucher ggf. einzuschaltenden rechtskundigen Dritten (nicht des Verbrauchers selbst) knüpft. Ob letzterer Aspekt vom EuGH in zukünftigen Fällen unter Effektivitätsgesichtspunkten für hinreichend tragfähig gehalten wird, dürfte sich noch zeigen. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, so dürften die o.g. rechtssystematischen Überlegungen einer von der beschriebenen verjährungsrechtlichen Praxis des BGH abweichenden Auslegung des § 199 BGB entgegenstehen.

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