Die ESMA-Leitlinien für nachhaltigkeitsbezogene Begriffe in Fondsnamen

Vor allem die wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung hat sich zuletzt immer wieder mit irreführenden nachhaltigkeitsbezogenen Versprechungen oder Werbemaßnahmen für Vermögensanlagen befasst (siehe etwa die Urteile des LG Stuttgart vom 10.01.2022, Az. 36 O 92/21 – „persönlicher CO2-Fußabdruck“ und vom 06.02.2023, Az. 35 O 97/22 – „messbare ökologische Wirkung“). Auch die allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Anforderungen der jüngsten Rechtsprechung des BGH (siehe das Urteil vom 27.06.2024, Az. I ZR 98/23 – „klimaneutral“), nach der umwelt- und nachhaltigkeitsbezogene Begriffe in der Werbung unmittelbar klar und eindeutig erläutert werden müssen, sind für den Finanzsektor relevant und praktisch herausfordernd. Die Rechtsprechung zeigt, dass ein großes Bedürfnis dafür besteht, die potenziell irreführenden Wirkungen der Verwendung von allgemeinen und vagen umwelt- und nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen einzudämmen.

Mit der praktischen Handhabe der Uneindeutigkeit und Erläuterungsbedürftigkeit von nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen hat sich auch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Market Authority, nachfolgend „ESMA“) befasst und zwar konkret im Hinblick auf die Verwendung solcher Begriffe in Fondsnamen. Hierzu hat sie die „Leitlinien zu Fondsnamen, die ESG- oder nachhaltigkeitsbezogene Begriffe verwenden“ (Stand 21.08.2024, ESMA34-1592494965-567, nachfolgend die „ESMA-Leitlinien“) erarbeitet und kürzlich veröffentlicht.

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Anforderungen der ESMA-Leitlinien, die künftig von Fondsanbietern zu beachten sind.

ESMA-Leitlinien für neu aufgelegte Fonds sofort anwendbar; Übergangsfrist für Bestandsfonds

Die ESMA-Leitlinien gelten seit dem 21. November 2024. Sie regeln Anforderungen für die Verwendung von Begriffen mit Nachhaltigkeitsbezug oder ESG-Bezug in Fondsnamen. Diese Anforderungen gelten zusätzlich zu den bereits bestehenden Vorgaben der ESMA im Hinblick auf die Fondsdokumentation und Marketingmaterialien von 2022 (siehe das „Supervisory Briefing: Sustainability risks and disclosures in the area of investment management“ vom 31.05.2022, ESMA34-45-1427).

Die Anforderungen der ESMA-Leitlinien richten sich vor allem an Fondsanbieter. Seit Ende November 2024 gilt also, dass die ESMA-Leitlinien unmittelbar zu beachten sind, wenn ein Fonds neu aufgelegt werden soll. Anders verhält es sich für Fonds, die bereits vor dem 21. November 2024 aufgelegt worden sind. Für diese Bestandsfonds ist eine Übergangsfrist von sechs Monaten vorgesehen; die ESMA-Leitlinien gelten also erst ab dem 21. Mai 2025.

Die BaFin hat bereits (nach Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 2 ESMA-Verordnung (VO (EU) 1095/2010)) angekündigt, die ESMA-Leitlinien vollständig anzuwenden. Damit wird die zuletzt von der BaFin ausgearbeitete Verwaltungspraxis für nachhaltige Investmentvermögen und deren Bezeichnung obsolet. Die BaFin weist insofern darauf hin, dass sie für sämtliche neu eingehende Anträge nur noch die Vorgaben der ESMA-Leitlinien anwenden und prüfen wird.

Anwendungsbereich der ESMA-Leitlinien

In den vergangenen Jahren sind immer wieder Fälle bekannt geworden, in denen angeblich nachhaltige oder grüne Anlageprodukte sich als nicht nachhaltig bzw. nicht grün herausgestellt haben. Laut einer Untersuchung des Finanzinformationshauses Morningstar und des Handelsblatts soll der Anteil derjenigen Fonds, die sich selbst als nachhaltige Geldanlage präsentieren, stetig steigen, während knapp die Hälfte dieser angeblich nachhaltigen Fonds möglicherweise überhaupt nicht nachhaltig ist (z.B. weil der Fonds in Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft investiert). Vieles deutet darauf hin, dass die Fondsanbieter unter einem Wettbewerbsdruck stehen, der sie dazu drängt, nachhaltigkeitsbezogene Begriffe zur Beschreibung ihrer Fonds zu verwenden und sich damit nah an der Grenze zum Greenwashing zu bewegen.

Diesem Trend sollen die ESMA-Leitlinien nun entgegenwirken. Gemäß Art. 23 Abs. 7 AIFM-Richtlinie (2011/61/EU) und Art. 69 Abs. 6 OGAW-Richtlinie (2009/65/EG) soll die ESMA, diejenigen Umstände präzisieren, „unter denen die Namensgebung von Fonds unlauter, unklar oder irreführend ist“. Diesen Auftrag hat die ESMA mit ihren Leitlinien für Fondsnamen in die Tat umgesetzt und dabei (positive) Anforderungen formuliert, deren Einhaltung erforderlich sein wird, damit nachhaltigkeitsbezogene Begriffe gerade nicht irreführend sind.

Die ESMA-Leitlinien bilden nun konkret sechs Begriffsgruppen, die zugleich den Anwendungsbereich der ESMA-Leitlinien definieren. Für jede Begriffsgruppe werden Beispiele genannt, also Begriffe, die typischerweise im Kontext der Geldanlage genutzt werden. Auch die jeweiligen Begriffe in den anderen Amtssprachen der EU-Mitgliedstaaten, in die die ESMA-Leitlinien übersetzt wurden – vor allem die englischsprachigen Begriffe –, sind mit in den Blick zu nehmen. Deren Verwendung im deutschen Sprachraum unterfällt auch den Anforderungen der ESMA-Leitlinien. Die englischsprachigen Begriffe ergeben sich aus dem Final Report der ESMA vom 14.05.2024 (ESMA34-742-440, siehe S. 55).

  • Transformationsbezogene Begriffe - Beispiele (deutsch): transformierend, Transformations-, verbessern, Fortschritt, Entwicklung, Übergang, Netto-Null; Beispiele (englisch): transition, transitioning, transitional, progress, evolution, transformation, net-zero.

  • Umweltbezogene Begriffe - Beispiele (deutsch): grün, ökologisch, Klima, ESG, SRI; Beispiele (englisch): green, environmental, climate, ESG, SRI.

  • Sozialbezogene Begriffe - Beispiele (deutsch): sozial, Gleichstellung; Beispiele (englisch): social, equality.

  • Governancebezogene Begriffe - Beispiele (deutsch): Unternehmensführung, Governance, Kontroversen; Beispiele (englisch): governance, controversies.

  • Auswirkungsbezogene Begriffe - Beispiele (deutsch): Auswirkung, Wirkung, auswirkend, wirkungsvoll, Impact; Beispiele (englisch): impact, impacting, impactful.

  • Nachhaltigkeitsbezogene Begriffe - Beispiele (deutsch): Nachhaltig, Nachhaltigkeit; Beispiele (englisch): sustainable, sustainably, sustainability.

Begriffe, die sich auf ethische („ethical“) Aspekte beziehen, werden in den ESMA-Leitlinien nicht ausdrücklich erwähnt. Allerdings wurden solche Begriffe im Supervisory Briefing der ESMA vom 31. Mai 2022 (ESMA34-45-1427, siehe S. 9) angesprochen. Es erscheint deshalb sinnvoll, diese Begriffe auch im Kontext der ESMA-Leitlinien für Fondsnamen zu berücksichtigen, insbesondere innerhalb der Begriffsgruppen mit Governance- und Sozialbezug.

Die Vorgaben der ESMA-Leitlinien im Einzelnen

Die genannten Begriffe in Fondsnamen unterliegen nach den ESMA-Leitlinien folgenden Anforderungen:

Ein mindestens 80%-iger Anteil der Investitionen muss für den implizierten Nachhaltigkeitsbezug eingesetzt werden

Die Investitionen des Fonds müssen zu einem Anteil von mindestens 80% zur Erfüllung des durch den Fondsnamen implizierten Nachhaltigkeitsbezugs – je nach Begriffsgruppe – verwendet werden. Die ESMA-Leitlinien beziehen sich bzgl. dieses Schwellenwerts auf die Informationen zur Anlagestrategie nach der Verordnung (EU) 2019/2088 (nachfolgend „EU-Offenlegungs-Verordnung“) . Diese Informationen müssen Fondsanbieter veröffentlichen und darin erläutern, inwiefern der jeweilige Fonds nachhaltigkeitsbezogene Merkmale bewirbt bzw. nachhaltige Investitionsziele verfolgt. Wenn ein Fondsanbieter in diesen Erläuterungen einen Anteil von mindestens 80% ausweist, ist die Verwendung des betreffenden Begriffs im Fondsnamen also grundsätzlich möglich.

Ausschluss von Investitionen in bestimmte Geschäftsfelder

Bei der Verwendung transformationsbezogener, sozialbezogener oder governancebezogener Begriffe dürfen betreffende Fonds keine Anlagen in Unternehmen tätigen, die an Aktivitäten im Zusammenhang mit umstrittenen Waffen oder am Anbau und an der Produktion von Tabak beteiligt sind, sowie in Unternehmen, die gegen die Grundsätze der Initiative „Global Impact“ der UN oder gegen die Leitsätze der OECD für multinationale Unternehmen verstoßen. Im Falle der Verwendung von umweltbezogenen, auswirkungsbezogenen oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen, dürfen zusätzlich keine Anlagen in Unternehmen getätigt werden, die mindestens 1% ihrer Einnahmen im Stein- oder Braunkohlesektor, mindestens 10% ihrer Einnahmen im Erdölsektor, mindestens 50% ihrer Einnahmen im Gassektor oder mindestens 50% ihrer Einnahmen mit der Stromerzeugung mit einer Treibhausgas-Emissionsintensität von mehr als 100g CO2 e/kWh erzielen.

„Bedeutsame“ Investition in nachhaltige Anlagen

Fonds, die nachhaltigkeitsbezogene Begriffe im Namen tragen wollen, müssen sich zusätzlich dazu verpflichten, „bedeutsam“ in nachhaltige Anlagen im Sinne der EU-Offenlegungs-Verordnung zu investieren. Konkrete Kriterien für die Prüfung, wann eine Investition als „bedeutsam” gilt, sind in den ESMA-Leitlinien jedoch nicht enthalten. Die Umsetzung dieser Vorgabe soll laut ESMA in einer Art und Weise erfolgen, die die Nachhaltigkeitserwartungen potenzieller Anleger im Hinblick auf den Fondsnamen widerspiegelt.

Übergangsstrategie oder positive und messbare Wirkung

Wenn Begriffe aus den Gruppen Transformation oder Auswirkung verwendet werden, ist sicherzustellen, dass die Fondsinvestitionen entweder einen klaren und nachvollziehbaren Weg zu einem sozialen oder ökologischen Wandel verfolgen oder darauf abzielen, zusätzlich zur finanziellen Rendite eine messbare und positive soziale oder ökologische Wirkung zu erzielen. Auch hierfür fehlen bislang konkrete inhaltliche Vorgaben zur Umsetzung.

Kombinationsfälle

Bei Kombination mehrerer Begriffe aus verschiedenen Begriffsgruppen gelten die genannten Regelungen kumulativ. Das gilt allerdings nicht uneingeschränkt für die Kombination mit transformationsbezogenen Begriffen (also z.B. in der Kombination „Green-Transition-Fonds“). In solchen Kombinationsfällen bleiben die Ausschlusskriterien auf die erste Gruppe beschränkt (d.h. kontroverse Waffen, Tabakindustrie sowie Unternehmen, die gegen UN- oder OECD-Prinzipien verstoßen).

Reformvorschläge der europäischen Aufsichtsbehörden zur EU-Offenlegungs-Verordnung

Obwohl die ESMA-Leitlinien für Fondsnamen selbst erst seit Kurzem anwendbar sind, besteht Grund zu der Annahme, dass sich die Regelungen für die Nachhaltigkeitsbewertung, Offenlegung und Namensgebung von Fonds insgesamt recht zeitnah wieder ändern könnten. Das ergibt sich konkret aus den Vorschlägen der europäischen Aufsichtsbehörden („European Supervisory Authorities“, nachfolgend die „ESAs“) für eine Reform der EU-Offenlegungs-Verordnung (siehe die Vorschläge „Joint ESAs Opinion: On the assessment of the Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR)“ vom 18.06.2024, JC 2024 06).

Die ESAs formulieren im Hinblick auf das bisher bestehende System Bedenken. Sie gehen davon aus, dass die Informationen und Erläuterungen der Fondsanbieter nach der EU-Offenlegungs-Verordnung nicht sonderlich informativ sein können, weil die Fondsanbieter einen großen eigenen Einschätzungsspielraum haben. Ausdrücklich heißt es in den Vorschlägen (siehe Rn. 17):

„… disclosures under […] the SFDR have also been problematic […]. Investors and distributors have relied on the requirement that products under Art. 9 of the SFDR must make sustainable investments. However, the definition of sustainable investments has itself led to limited comparability as to what is considered a sustainable investment, because of wide discretion given to product manufacturers.”

Deshalb wollen die ESAs die den ESMA-Leitlinien zugrundeliegenden Informations- und Erläuterungspflichten der EU-Offenlegungs-Verordnung vereinfachen und anhand einer Kopplung mit konkreten Nachhaltigkeitskriterien auf Basis der EU-Taxonomie-Verordnung (VO (EU) 2020/852) – anstelle einer weitreichenden Eigeneinschätzung des Fondsanbieters – konkretisieren. Auch die Darstellung der Nachhaltigkeitsinformationen zu Fonds soll damit künftig vereinfacht und verdeutlicht werden, etwa mit einer Art Notenskala, z.B. in Anlehnung an das Nutri-Score System.

Aufsichtsrechtliche Prüfung zur Vermeidung von Einwänden der BaFin und Ordnungswidrigkeiten

Gleichwohl werden die ESMA-Leitlinien nun zunächst in ihrer aktuellen Fassung zu berücksichtigen sein. Für Fondsanbieter ist insofern eine genaue Befassung mit den Informations- und Erläuterungspflichten im Einklang mit der EU-Offenlegungs-Verordnung erforderlich. Eine allzu leichtfertige Festlegung eines 80%-igen Einsatzes von Investitionen für nachhaltige Zwecke sollte dabei genauso vermieden werden, wie die unhinterfragte Verwendung von nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen, ohne entsprechende Einhaltung der Vorgaben der ESMA-Leitlinien.

Nur dann können aufsichtsrechtliche Einwände der BaFin im Hinblick auf die Namensgebung des Fonds sowie die mögliche Verwirklichung von Ordnungswidrigkeiten in Form von Verstößen gegen die EU-Offenlegungs-Verordnung (insbesondere nach § 340 Abs. 2 Nr. 38 KAGB in Verbindung mit § 165 Abs. 2 Nr. 42 KAGB) vermieden werden. Gerade bei neu aufzulegenden Fonds mit nachhaltiger Ausrichtung empfiehlt sich deshalb eine eingehende aufsichtsrechtliche Prüfung der Namensgebung und der vorvertraglichen Informationen.

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