Die aktuellen deutschen Corona-Finanzhilfen im Überblick
Vor dem Hintergrund der Corona-Krise hat die Bundesregierung am 13. März ein umfassendes Maßnahmenpaket mit Finanzhilfen angekündigt. Die unvorhergesehenen Umsatzausfälle zahlreicher Unternehmen, von Einzelunternehmen über KMU bis hin zu DAX-Konzernen, sollen mit Liquiditätshilfen und anderen finanziellen Erleichterungen abgefedert werden. Wir bieten einen Überblick über die bisher bekannten Maßnahmen und die erforderlichen praktischen Schritte.
Die Bundesregierung hat neben Maßnahmen zum Erhalt von Arbeitsplätzen durch die Anpassung von Kurzarbeiter-Regelungen sowie neben steuerlichen Maßnahmen einen Milliarden-Schutzschild zur Linderung unverschuldeter Finanznöte von Betrieben und Unternehmen beschlossen.
Der Hauptansatz dieses Schutzschildes der Bundesregierung besteht darin, die bereits bestehenden, über die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) organisierten Liquiditätshilfen erheblich auszuweiten und explizit für solche Unternehmen zu öffnen, die infolge der Corona-Krise mit Umsatz- und Liquiditätsausfällen zu kämpfen haben. Zusätzlich werden neue Sonderprogramme bei der KfW aufgelegt.
Daneben werden jeweils unterschiedliche Finanzhilfen auf Ebene der Bundesländer ins Spiel gebracht, neben Krediten auch nicht rückzahlbare Zuschüsse. Es werden täglich neue Details dieser Finanzhilfen in den einzelnen Bundesländern bekannt – die Situation ist hier noch im Fluss. Gleiches gilt für die Finanzhilfen auf europäischer Ebene. Die EU-Kommission plant europaweit Unternehmen, die von der Corona-Krise betroffen sind, bei Liquiditätsengpässen zu unterstützen und eine “Corona Response Initiative” mit einem Volumen von 25 Mrd. Euro einzurichten. Die europäische Bankenaufsicht hat zudem angekündigt, bestehende Spielräume zu nutzen, damit Banken weiter verlässlich Liquidität an die Wirtschaft geben können. Hinzu kommt das von der EZB am 19. März angekündigte Notfall-Anleihekaufprogramm namens “PEPP” (Pandemic Emergency Purchase Programme) mit einem Volumen von 750 Mrd. Euro zum Ankauf von Wertpapieren der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft.
Wir bieten im Folgenden als praktische Handreichung für Unternehmen (und Unternehmer) einen ersten Überblick über die in ihren Konturen bereits feststehenden Förderinstrumente und die daraus folgenden praktischen Schritte:
1. Welches der Förderinstrumente kommt für Ihr Unternehmen in Betracht?
a) Bundeshilfen über die KfW
- Kleine Unternehmen, die noch keine 5 Jahre bestehen:
Hier kommt der ERP-Gründerkredit Startgeld in Betracht. “ERP” steht für “European Recovery Programme” und bezeichnet Mittel aus einem Sondervermögen des Bundes, dessen historische Wurzeln im “Marshall-Plan” nach dem Ende des zweiten Weltkrieges begründet sind. Die Zielgruppe sind kleine gewerbliche Unternehmen und Freiberufler mit bis zu 50 Beschäftigten und Jahresumsatz bzw. Jahresbilanzsumme von max. 10 Mio. Euro, die noch keine 5 Jahre bestehen. Der Höchstbetrag für Betriebsmittel (wozu Liquiditätshilfen zählen) beträgt 30.000 Euro. Darüber hinaus können Investitionen mit Krediten gefördert werden, bis zu einem Höchstbetrag für den gesamten Gründerkredit von 100.000 Euro. Die Laufzeit beträgt maximal 10 Jahre mit zwei tilgungsfreien Jahren.
- Kleine und größere mittelständische Unternehmen, die weniger als 5 Jahre am Markt sind:
ERP-Gründerkredit Universell: Die Zielgruppe sind Existenzgründer (auch Unternehmensnachfolger), Freiberufler, KMU und Großunternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 2 Mrd. Euro. Dieser Umsatzhöchstbetrag wird infolge der Corona-Krise von bisher nur 500 Mio. Euro heraufgesetzt. Gefördert werden Unternehmen bis zu 5 Jahre nach der Gründung. Es können ausdrücklich auch Vorhaben im Ausland gefördert werden. Damit dürften Mittel aus diesem Programm auch für Betriebsmittelbedarf eingesetzt werden, den ein deutsches Unternehmen infolge der Corona-Krise vorrangig im Ausland hat (z.B. bei einer schon länger von Schließungen etc. betroffenen Filiale in Südeuropa). Hier sind die KfW-Verlautbarungen allerdings nicht ganz eindeutig, da dort z.T. von förderungsfähigen “Investitionen” im Ausland die Rede ist. Sofern KfW-verbürgte Kreditbeträge im Ausland zum Einsatz kommen sollen, sollte dieser Punkt bei der Beantragung ausdrücklich geklärt werden – dies gilt für alle hier dargestellten KfW-Module.
Wie alle hier dargestellten KfW-Förderinstrumente handelt es sich um Risikoübernahmen (Haftungsfreistellungen) der KfW in Höhe von bis zu 80% zugunsten der durchleitenden Finanzierungspartner (in der Regel die Hausbanken). Als “ERP-Gründerkredit Universell” können auf diese Weise Betriebsmittel- und Investitionskredite in Höhe von je Unternehmen bis zu 200 Mio. Euro verbürgt werden. Die kreditgebenden Banken müssen wegen der verbleibenden 20% Kreditrisiko nach ihren allgemeinen Grundsätzen Bonitätsprüfungen durchführen bzw. Kreditsicherheiten verlangen. Es wird bereits kritisch diskutiert, ob dieser Bürgschaftsanteil von 80% im Rahmen der Corona-Krise zu niedrig ist, so dass momentan einige Bundesländer ergänzende Bürgschaften in Erwägung ziehen, um insgesamt auf 90% Bürgschaftsanteil zu gelangen.
- Größere mittelständische Unternehmen, die mehr als 5 Jahre am Markt sind:
Der KfW-Unternehmerkredit ist an etablierte Unternehmen gerichtet und vergleichbar ausgestaltet wie der ERP-Gründerkredit Universell. Auch hier wird jetzt wegen der Corona-Krise die Risikoübernahme von bis zu 80% auf Betriebsmittelkredite bis 200 Mio. Euro Kreditvolumen erweitert. Dieses Haftungsfreistellungsangebot der KfW gilt auch für Großunternehmen mit einem Jahresumsatz bis zu 2 Mrd. Euro.
Ferner existiert das Programm KfW-Kredit für Wachstum, das auf die Förderung von Produkt- und Prozessinnovationen und insbesondere von Digitalisierungsvorhaben abzielt. Dieses Programm wird nun umgewandelt und ausdrücklich ohne Beschränkung auf einen bestimmten Bereich zur Verfügung gestellt, kann also auch zur Betriebsmittelfinanzierung (d.h. auch zur Finanzierung von Corona-bedingten Ausfällen) verwendet werden. Neben dieser Lockerung des Verwendungszwecks wird auch der Zugang von Unternehmen zu diesem Kreditprogramm erweitert. Die Umsatzgrenze für antragsberechtigte Unternehmen wird von 2 Mrd. auf 5 Mrd. Euro erhöht und es werden bis zu 70% (statt bisher 50%) der Kredite verbürgt. Der Kredithöchstbetrag je Unternehmen beträgt 1 Mrd. Euro. In diesem Zusammenhang hat die Bundesregierung ausdrücklich den Vorbehalt der Konsortialfinanzierung formuliert (eine nähere Begründung dieses Vorbehaltes bleiben die bisherigen Regierungsverlautbarungen allerdings schuldig). Also muss der verbürgte Kredit von mehreren Banken bzw. Sparkassen, d.h. von mindestens zwei, vergeben werden. Um dieses Kreditprogramm flächendeckend zu nutzen, werden möglicherweise bald zahlreiche Konsortialkredite zu verhandeln sein.
Getreu der vom Bundesfinanzminister ausgegebenen Losung für diese Finanzhilfen: “Es wird nicht gekleckert, es wird geklotzt” sind alle genannten Maßnahmen im Gesamtvolumen unbegrenzt. Für das einzelne Unternehmen bleibt es allerdings bei den jeweiligen Höchstbeträgen der Förderprogramme. Von diesen Programmvorgaben abweichende Einzelanträge sind möglich und werden individuell geprüft.
Zudem sind zusätzliche Sonderprogramme angekündigt, die allerdings noch ein EU-beihilferechtliches Genehmigungsverfahren durchlaufen müssen.
b) Förderkredite der Länder für Gründer und KMU
Die Konditionen und Zugangsvoraussetzungen zu den von den Ländern angebotenen Förderkrediten variieren in Abhängigkeit von der Größe des Unternehmens und dessen Bestand am Markt. Eine Übersicht der Förderbanken der Länder und ihrer Förderkreditangebote vor dem Hintergrund der Corona-Krise findet sich auf der Webseite des Bundeswirtschaftsministeriums unter dem Stichwort “Betriebsmittelkomponenten in den Förderkrediten der Länder für Gründer und KMU”.
Einige Länder haben bereits spezielle Antragsverfahren für die Gewährung von Liquiditätshilfen im Zusammenhang mit der Corona-Krise eingerichtet. So können zum Beispiel Unternehmen mit Betriebsstätte (nicht notwendig: Sitz) in Berlin, die ein KMU gemäß den einschlägigen EU-Definitionen sind und deren Existenzgründungsphase (3 Jahre) beendet ist, seit dem 19. März die Rettungsbeihilfe Corona bei der Investitionsbank Berlin online beantragen, nämlich einen sechsmonatigen, anteilig zinslos gestellten Kredit über bis zu 500.000 Euro, in begründeten Ausnahmefällen bis zu 2,5 Mio. Euro.
c) Förderangebot der Bürgschaftsbanken
Unter dem Vorbehalt “Ihr Unternehmen und Ihr Geschäftsmodell sollte bereits vor Ausbruch der Krise wirtschaftlich tragfähig gewesen sein” bieten auch die in den Bundesländern eingerichteten Bürgschaftsbanken spezielle Bürgschaften zur Absicherung von Überbrückungsfinanzierungen an, die infolge der Corona-Krise notwendig werden. Das Bundeswirtschaftsministerium fasst auf seiner speziellen Corona-Website dieses Angebot wie folgt zusammen:
“Bis zu einem Betrag von 2,5 Millionen Euro werden diese [Bürgschaften] durch die Bürgschaftsbanken bearbeitet, darüber hinaus sind die Länder beziehungsweise deren Förderinstitute zuständig. Ab einem Bürgschaftsbetrag von 20 Millionen Euro beteiligt sich der Bund in den strukturschwachen Regionen am Bürgschaftsobligo im Verhältnis fünfzig zu fünfzig. Außerhalb dieser Regionen beteiligt sich der Bund an der Absicherung von Betriebsmittelfinanzierungen und Investitionen ab einem Bürgschaftsbedarf von 50 Millionen Euro und mit einer Bürgschaftsquote von bis zu 80 Prozent. Bürgschaften können maximal 80 Prozent des Kreditrisikos abdecken, das heißt, die jeweilige Hausbank muss mindestens 20 Prozent Eigenobligo übernehmen.”
d) Gesondertes Hilfspaket für Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen steht bevor
Nach aktuellen Medienberichten ist überdies ein Hilfspaket für Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen auf dem Weg. Es wird von einem bundesweiten Volumen von mehr als 40 Mrd. Euro berichtet und von der Darreichungsform als Zuschuss (d.h. Geldzuwendungen als sog. verlorene Zuschüsse oder ggf. Steuergutschriften), also nicht als rückzahlbarer Kredit. Genauere Informationen der Regierung liegen jedoch noch nicht vor.
2. Hausbank kontaktieren
Der Großteil der bisher eingerichteten Corona-Finanzhilfen erfordert eine Beantragung über die Hausbank. Für viele Banken und Sparkassen ist es eine besondere Herausforderung, in den kommenden Tagen und Wochen die Vielzahl von Anfragen zu beantworten. Es wird daher etwas Geduld erforderlich sein, bis Klarheit über die beizubringenden Unterlagen und Informationen besteht. Zudem wird die erforderliche Dokumentation im Detail von Hausbank zu Hausbank variieren. Mit großer Wahrscheinlichkeit erforderlich und damit für die Vorbereitung empfohlen seien folgende “Basics”:
- Kurze schriftliche Beschreibung der Auswirkungen der Pandemie auf das Unternehmen
- Jahresabschlüsse / Einnahmen-Überschuss-Rechnungen, Betriebswirtschaftliche Auswertung
- Ermittlung des Kreditbedarfs anhand einer Maßnahmen- und Liquiditätsplanung
3. Kurzarbeit beantragen
Wenn Ihr Unternehmen infolge der Corona-Krise Kurzarbeit anordnet und es dadurch zu Entgeltausfällen kommt, können betroffene Beschäftigte Kurzarbeitergeld erhalten. Diese Leistung muss vom Arbeitgeber beantragt werden. Erste Informationen zu den Voraussetzungen der Beantragung von Kurzarbeit finden sich auf den Webseiten der Arbeitsagenturen.
4. Steuerstundung verhandeln
Gemäß dem eingangs genannten Maßnahmenpaket der Bundesregierung soll die Gewährung von Stundungen erleichtert werden. So können die Finanzbehörden Steuern stunden, wenn die Einziehung eine erhebliche Härte darstellen würde. Die Finanzverwaltung wird angewiesen, dabei keine strengen Anforderungen zu stellen. Außerdem sollen die Vorauszahlungen künftig leichter angepasst werden können. Sobald klar ist, dass die Einkünfte der Steuerpflichtigen im laufenden Jahr voraussichtlich geringer sein werden, sollen die Steuervorauszahlungen unkompliziert und schnell herabgesetzt werden können. Schließlich soll auch bis zum 31. Dezember 2020 auf Vollstreckungsmaßnahmen (z.B. Kontopfändungen) beziehungsweise Säumniszuschläge verzichtet werden, solange der Schuldner einer fälligen Steuerzahlung unmittelbar von den Auswirkungen der Corona-Krise betroffen ist.
5. Insolvenzantragspflichten beachten
Die geschäftsführenden Organe von deutschen Kapitalgesellschaften (sowie der GmbH & Co. KG) sind gemäß § 15a InsO bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und/oder Überschuldung (§ 19 InsO) zur Stellung eines Insolvenzantrages verpflichtet. Eine Verletzung dieser Pflicht führt zur persönlichen Haftung dieser Organe und ist überdies strafbewehrt.
Gerade die Zahlungsunfähigkeit kann drohen, wenn nun infolge der Corona-Krise kurzfristig und unerwartet Umsätze einbrechen bzw. Schuldner ausfallen. Grundsätzlich gilt: auch die “unverschuldete” Zahlungsunfähigkeit verpflichtet zum Insolvenzantrag. Um die herrschende BGH-Auslegung zum Begriff der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO etwas vereinfacht zusammenzufassen: Wenn für einen GmbH-Geschäftsführer Stand heute absehbar ist, dass er von seinen jetzt fälligen Verbindlichkeiten binnen drei Wochen nicht wenigstens 90% erfüllen kann, dann ist er zahlungsunfähig und muss unverzüglich, spätestens aber binnen drei Wochen Insolvenzantrag stellen.
Im konkreten Fall der Corona-Krise gilt es, die Gesetzgebung in den nächsten Tagen zu beobachten. Das Bundesjustizministerium hat am 16. März angekündigt, die Insolvenzantragspflicht für einen Zeitraum bis zum 30. September 2020 auszusetzen, wenn der Insolvenzgrund auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruht und wenn aufgrund einer Beantragung öffentlicher Hilfen bzw. ernsthafter Finanzierungs- und Sanierungsverhandlungen eines Antragspflichtigen begründete Aussichten auf Sanierung bestehen.
Das Ministerium steht nun vor der Herausforderung, die schwierigen Kausalitätsfragen (Ist die Insolvenz tatsächlich pandemiebedingt? Sind die Anträge / Verhandlungen erfolgsversprechend?) bei der Formulierung der neuen Ausnahmeregelung angemessen in den Griff zu bekommen. Auch Haftungsfragen sind zu klären (Was gilt für die sog. Insolvenzverschleppungshaftung des Geschäftsführers, wenn er dann doch im Oktober Insolvenz anmelden muss? Ist die Haftung für den Zeitraum ab jetzt bis zum 30. September suspendiert?).
Für die Unternehmen (und ihre Rechtsberater) ist es umso wichtiger, bereits jetzt die Ursachen etwaiger drohender Insolvenzen klar zu erfassen und zu dokumentieren, um diese gesetzlichen Ausnahmen nutzen zu können.
- Die EU-KI-Verordnung und ihre Auswirkungen auf die (teil-) automatisierte Kreditvergabe
- Das Verbot des Gebührenmodells Payment for Order Flow („PFOF“) durch die EU und die Aufsichtsmitteilung der BaFin zum Umgang mit dem PFOF-Verbot
- Online-Beurkundungen – Schritt für Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung im Notariat