Krypto-Lending: Auszahlungsstopps und Insolvenzen bei Celsius Network und Co.
Celsius Network (“Celsius”) ist ein Anbieter von Dienstleistungen rund um Krypto-Werte. Besonders bekannt ist Celsius für sein Krypto-Lending Angebot. Beim Krypto-Lending handelt es sich um eine junge Anlageform für Krypto-Werte. Anleger stellen dabei ihre Krypto-Werte zur Verfügung und erhalten dafür vom Anbieter ein Entgelt in Form von Zinsen.
Der Anbieter kann die Krypto-Werte, die er sich vom Kunden zur Verfügung stellen lässt, vor allem einsetzen, um durch sogenannte “Staking”-Verfahren neue, zusätzliche Krypto-Werte zu schöpfen. Für Kunden ist das Krypto-Lending demgegenüber deshalb interessant, weil sie hierdurch nicht nur durch potentielle (aber oft unsichere) Kursgewinne Vermögenszuwachs generieren können, sondern auch regelmäßige (und scheinbar zuverlässigere) Erträge erzielen können. In den zurückliegenden beiden Jahren wurden von Anbietern oftmals zweistellige Renditen für Krypto-Lending in Aussicht gestellt.
Extreme Marktbedingungen: Celsius insolvent
Im Juni 2022 gab Celsius nunmehr bekannt, dass Auszahlungen von Krypto-Werten aus Celsius-Accounts für die Nutzer der Plattform ausgesetzt werden:
“Due to extreme market conditions, today we are announcing that Celsius is pausing all withdrawals, Swap, and transfers between accounts.”
(Website-Mitteilung von Celsius vom 13. Juni 2022, abgerufen am 23. August 2022
Mit extremen Marktbedingungen, die der Anlass für diese Maßnahme waren, bezog sich Celsius auf die starken Kursrutsche bei Krypto-Werten in den vergangenen Monaten, allen voran beim Bitcoin. Der Kursverfall bei den Krypto-Werten bewegte eine breite Masse an Kunden dazu, sich ihre per Krypto-Lending zur Verfügung gestellten Krypto-Werte auszahlen zu lassen und in Geld zu liquidieren. Wenig später, Mitte Juli 2022, stellte Celsius einen Insolvenzantrag bei dem zuständigen New Yorker Insolvenzgericht.
Es handelt sich bei Celsius zwar um einen besonders prominenten, aber bei weitem nicht um den einzigen Anbieter von Krypto-Lending und ähnlichen Dienstleistungen, bei dem in den letzten Wochen und Monaten Auszahlungsschwierigkeiten aufgetreten sind. So stellte beispielsweise Voyager Digital im Juli 2022 – wie Celsius – nach einem zuvor verhängten Auszahlungsstopp Insolvenzantrag. Auch Babel Finance teilte im Juni 2022 mit, dass Auszahlungen aufgrund des außergewöhnlichen Drucks auf die Liquiditätslage vorerst ausgesetzt werden.
Im Hinblick auf diese aktuellen Entwicklungen auf dem Markt der Krypto-Dienstleistungen soll dieser Blog-Beitrag einen Überblick über die aufsichtsrechtliche Relevanz des Krypto-Lending geben.
Krypto-Lending: Erlaubnispflicht bislang nicht eindeutig geklärt
Beim Krypto-Lending handelt es sich nach einer derzeit von einigen Stimmen vertretenen Auffassung nicht um ein von § 1 KWG erfasstes und damit erlaubnispflichtiges Geschäft.
Auf Seiten des Krypto-Lending Anbieters dürfte nach derzeitiger Rechtslage vor allem typischerweise kein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft (§ 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 KWG) vorliegen. Spiegelbildlich dürfte der Kunde, der seine Krypto-Werte zur Verfügung stellt, üblicherweise auch kein erlaubnispflichtiges Kreditgeschäft (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 KWG) betreiben.
Denn die Tatbestände sowohl des Einlagengeschäfts als auch des Kreditgeschäfts beziehen sich auf Einlagen bzw. Darlehen in Geld. Geld in diesem Sinne sind Bargeld in Form gesetzlicher Zahlungsmittel sowie Buchgeld, nicht aber Krypto-Währungen wie Bitcoin, Ether, Chainlink und Co.
Stattdessen sind auf das Krypto-Lending die Vorschriften über Sachdarlehen (§§ 607 ff. BGB) entsprechend anzuwenden. Unmittelbar sind die Vorschriften über das Sachdarlehen nicht anwendbar, da sie sich auf körperliche Gegenstände beziehen, Krypto-Werte aber unkörperliche Gegenstände sind. Trotzdem wird eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über Sachdarlehen für sachgerecht gehalten.
Das bedeutet, dass Krypto-Lending zivilrechtlich ähnlich wie ein Wertpapierdarlehen zu behandeln ist. Die Aufnahme von Wertpapierdarlehen von Kunden kann im Einzelfall wiederum als Eigenhandel nach § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 4 lit. c KWG (Anschaffen oder Veräußern von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere) einzustufen sein. Gerade deshalb wäre im Einzelfall aber auch zu prüfen, ob der Krypto-Lending Anbieter, der vom Kunden Krypto-Werte als Darlehen “anschafft”, möglicherweise erlaubnispflichtigen Eigenhandel betreibt. Diese Frage ist bisher aber noch nicht geklärt.
Die aufsichtsrechtliche Behandlung von Krypto-Lending ist insofern jedenfalls nicht ganz klar. In der juristischen Literatur finden sich immer mehr Stimmen, die hier eine regulatorische Lücke sehen und fordern, das Krypto-Lending durch eine Anpassung von § 1 KWG zukünftig einer Erlaubnispflicht zu unterwerfen.
Vordringliches Modell in Deutschland: Krypto-Lending mit Anlagevermittlung
Praktisch stellt sich diese Frage für das konkret in Deutschland vordringliche Modell des Angebots von Krypto-Lending aber bislang interessanterweise nicht.
Denn für den deutschen Markt wird das Krypto-Lending bisher nicht unmittelbar, also beispielsweise durch deutsche FinTechs oder Neo-Banken, denen deutsche Anleger ihre Krypto-Werte zur Verfügung stellen können, angeboten. Stattdessen vermitteln deutsche FinTechs bisher die Krypto-Lending Angebote ausländischer Anbieter, z.B. das Krypto-Lending von Celsius. Ein deutscher Kunde schließt dann nach Vermittlung durch ein deutsches FinTech einen eigenen Krypto-Lending Vertrag, z.B. mit Celsius.
Das vermittelnde FinTech in Deutschland braucht hierfür aber grundsätzlich eine Erlaubnis für das Betreiben der Anlagevermittlung (§ 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1 KWG). Anlagevermittlung ist die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten.
Krypto-Werte stellen solche Finanzinstrumente dar (vgl. § 1 Abs. 11 S. 1 Nr. 10 KWG).
Die Vermittlung von Krypto-Lending ist auch eine Vermittlung von Geschäften über die “Anschaffung und Veräußerung” solcher Finanzinstrumente. Auf den ersten Blick könnte man zwar meinen, dass sich das Tatbestandsmerkmal “Anschaffung und Veräußerung” nur auf Kauf- und Verkaufsgeschäfte bezieht. Dann wäre die Vermittlung von Krypto-Lending nicht vom Tatbestand der Anlagevermittlung erfasst, zumal beim Krypto-Lending gerade kein Kauf oder Verkauf zustande kommt. Allerdings muss das Tatbestandsmerkmal “Anschaffung und Veräußerung” wohl so verstanden werden, dass darunter auch kaufähnliche Geschäfte, z.B. Tauschgeschäfte und Darlehen, fallen, sofern diese zu einer Übertragung der Rechtsposition an einem Finanzinstrument führen.
Deswegen dürfte das vermittelnde FinTech, das deutschen Kunden die Nutzung von Krypto-Lending Angeboten eines ausländischen Anbieters (z.B. Celsius) ermöglicht, typischerweise das erlaubnispflichtige Geschäft der Anlagevermittlung betreiben.
Anlagevermittlung ohne eigene Erlaubnis: Vertraglich gebundener Vermittler
Die Anlagevermittlung für Krypto-Lending kann aber auch ohne eigene Erlaubnis betrieben werden.
Diese Möglichkeit kann in der Konstellation des Krypto-Lending von deutschen FinTechs genutzt werden, die sich nur auf die Anlagevermittlung spezialisieren und für Rechnung und unter der Haftung einer inländischen Bank handeln (vgl. § 2 Abs. 10 KWG). Das FinTech wird dann als sogenannter “vertraglich verbundener Vermittler” der Bank tätig. Der Bank wird die Tätigkeit des Vermittlers zugerechnet, sie haftet für Pflichtverletzungen des Vermittlers – z.B. wegen unzureichender Aufklärung bei der Anlagevermittlung – gegenüber dem Kunden bei der Anlagevermittlung. Die Bank wird deshalb auch oft als “Haftungsdach” bezeichnet.
Dieses Geschäftsmodell wurde zuletzt von deutschen FinTechs genutzt, um Krypto-Lending Angebote ausländischer Anbieter, insbesondere von Celsius, an deutsche Kunden zu vertreiben.
Haftungsdach: Haftungsrisiken für deutsche Banken
Deshalb stellt sich anlässlich der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Insolvenzen verschiedener Krypto-Lending Anbieter auch für deutsche Banken, die an diesem Geschäftsmodell als Haftungsdach beteiligt sind, die Frage nach möglichen Haftungsrisiken.
Die Beurteilung von Pflichtverletzungen bei Beratungs- und Aufklärungsvorgängen ist naturgemäß eine komplexe Angelegenheit. Beispielsweise stellt sich hier folgende Frage: Trifft einen Vermittler die Pflicht, darauf hinzuweisen, dass Celsius sich in den eigenen Nutzungsbedingungen für das Krypto-Lending das Recht vorbehält, Auszahlungen auszusetzen? Ein solcher Hinweis ist in der Vergangenheit wohl in vielen Fällen nicht gegeben worden; stattdessen wurde den Kunden üblicherweise erklärt, sie hätten das jederzeitige Recht auf die Auszahlung der hinterlegten Krypto-Werte sowie der darauf entfallenen Erträge.
Ausblick: Verstärkte aufsichtsrechtliche Aufmerksamkeit
Der Fall von Celsius, der eine unmittelbare Folge der starken Kursrutsche bei Krypto-Währungen ist, wird sicher die Aufmerksamkeit erhöhen, die dem Thema Krypto-Anlage in der aufsichtsrechtlichen Praxis zukommt. Hier ist derzeit vor allem die Nutzung deutscher Banken als Haftungsdach bei der Anlagevermittlung relevant. Besondere Bedeutung haben hier die aufsichtsrechtlichen Anforderungen beim Einsatz vertraglich gebundener Vermittler (vgl. § 25e KWG). Banken, die als Haftungsdach fungieren, sollten besonderes Augenmerk darauf legen, ihre eigenen Prüfungs- und Überwachungspflichten gegenüber dem Vermittler zu erfüllen, um aufsichtsrechtliche Folgen – schlimmstenfalls die Untersagung der Einbindung des Vermittlers durch die BaFin – und eine eigene zivilrechtliche Haftung zu vermeiden.
Genauso denkbar ist es, dass sich dies in Zukunft ändert und deutsche Anbieter von Krypto-Lending in Erscheinung treten. Möglich scheint schließlich auch, dass Krypto-Lending künftig als eigens erlaubnispflichtiges Geschäft einzustufen sein könnte. Die Forderungen nach einer Anpassung von § 1 KWG dürften infolge der Geschehnisse rund um Celsius noch lauter werden.
Die Themenfelder Krypto-Anlage im Allgemeinen und Krypto-Lending im Speziellen kommen, wie sich zeigt, aktuell zunehmen in Bewegung. Der Gesetzgeber und die aufsichtsrechtliche Praxis werden diese Bewegung nicht ignorieren können. Dementsprechend ist es sowohl für Anbieter und Vermittler von Krypto-Anlagen als auch für Kunden besonders wichtig, die aktuellen Entwicklungen zu verfolgen und die eigenen Geschäfte strategisch klug und rechtlich abgesichert anzupassen.
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