Finanzierungsverbote, SWIFT-Ausschluss & Co. – Sanktionen gegen Russlands Finanzsektor

Schon seit der Krim-Krise 2014 bestehen breit angelegte Wirtschaftssanktionen gegen Russland. In Reaktion auf den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine werden diese Wirtschaftssanktionen aktuell schrittweise erweitert und verschärft. Ein inhaltlicher Schwerpunkt der Sanktionen liegt darauf, den Zugang russischer Banken, Unternehmen und Oligarchen zum internationalen Kapitalmarkt und Finanzsystem weitestgehend zu versperren – vor allem durch Verbote von Finanzdienstleistungen für Geschäfte mit Rüstungs- und Dual-Use-Gütern, Verbote von Bankgeschäften mit russischen Staatsangehörigen und den SWIFT-Ausschluss zahlreicher russischer Banken.

Die breit angelegten Sanktionen der USA und der EU zeigen schon jetzt die ersten unmittelbar spürbaren Wirkungen: Online-Zahlungsanbieter wie Google Pay, Apple Pay und Samsung Pay haben angekündigt, ihre Zahlungsdienste Kunden derjenigen russischen Banken, die vom SWIFT-Ausschluss betroffen sind, nicht mehr zur Verfügung zu stellen. Auch Paypal hat seine Dienste in Russland seit Anfang März ausgesetzt und unterstützt keine Transaktionen mit sanktionierten russischen Banken mehr. Zahlungen mit Kreditkarten russischer Banken im Ausland und Zahlungen mit nicht-russischen Kreditkarten (vor allem Visa und Mastercard) bei russischen Händlern werden vorerst nicht mehr möglich sein.

Dieser Beitrag gibt einen rechtlichen Überblick über die zentralen Sanktionen gegen Russlands Finanzsektor und deren praktische Bedeutung sowie die rechtlichen Fragestellungen, deren Prüfung im weiteren Umgang mit den Sanktionen gegen Russlands Finanzsektor unumgänglich sein wird.

Sanktionen gegen Russlands Finanzsektor: UN-Sanktionen, EU-Sanktionen, US-Sanktionen

Sanktionen gegen Russland können ihre Grundlage auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Rechtsakten finden:

UN-Sanktionen

Der UN-Sicherheitsrat kann auf Grundlage von Art. 39 der Charta der Vereinten Nationen (“UN-Charta”) feststellen, dass eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt. Auf Grundlage dieser Feststellung kann er nach Art. 41 UN-Charta Maßnahmen, insbesondere die vollständige oder teilweise Unterbrechung von Wirtschaftsbeziehungen, beschließen und die UN-Mitglieder auffordern, diese Maßnahmen durchzuführen. Die UN-Mitglieder sind dann nach Art. 25 UN-Charta dazu verpflichtet, die beschlossenen Sanktionsmaßnahmen umzusetzen.

Russland verfügt im UN-Sicherheitsrat über ein Vetorecht. Deshalb ist der UN-Sicherheitsrat faktisch außerstande, Sanktionen nach Art. 39 und 41 UN-Charta gegen Russland zu beschließen.

EU-Sanktionen

Anders verhält es sich mit Sanktionen der EU; diese können ohne zugrundeliegende UN-Maßnahmen und deshalb unabhängig vom Vetorecht Russlands im UN-Sicherheitsrat beschlossen und umgesetzt werden.

EU-Sanktionen erfordern zunächst einen Beschluss des Rates zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (“GASP”) nach Art. 29 EUV. Solche Beschlüsse sind einstimmig zu fassen (Art. 31 EUV). Hierdurch werden zwar bereits die Mitgliedstaaten gebunden, die beschlossenen Sanktionen entfalten aber noch keine Außenwirkung. Hierfür ist die Umsetzung des Beschlusses durch eine Verordnung des Rates nach Art. 215 AEUV erforderlich. Nach Art. 215 Abs. 1 AEUV ist für den Erlass einer Sanktionsverordnung nur eine qualifizierte Mehrheit im Rat erforderlich. In der Praxis werden Sanktionsverordnungen aber ebenso wie die GASP-Beschlüsse einstimmig beschlossen.

Gegen Russland hat die EU seit der Annexion der Krim 2014 und nun im Zusammenhang mit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine eine Vielzahl von Sanktionsverordnungen erlassen (vgl. die Übersicht auf der Website des Europäischen Rates und des Rates der EU und die Zusammenfassung auf der Website des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle). Die größte Bedeutung für den Finanzsektor kommt dabei der Verordnung (EU) 833/2014 zu. Diese Verordnung ist einer der Basisrechtsakte des Sanktionspakets gegen Russland und seit ihrem Erlass mehrfach erweitert, verschärft und konkretisiert worden, zuletzt durch sechs verschiedene Verordnungen im Februar und März 2022.

In der Verordnung (EU) 833/2014 sind zahlreiche Beschränkungen des Zugangs zu den Primär- und Sekundärkapitalmärkten der EU für russische Banken und Unternehmen, Beschränkungen für die Erbringung von Finanzdienstleistungen sowie der Ausschluss russischer Banken vom SWIFT-System geregelt (siehe hierzu unten).

Nationale Sanktionen Deutschlands

Aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit von Verordnungen in den Mitgliedstaaten ist grundsätzlich keine nationale Umsetzung von EU-Sanktionen erforderlich. Das gilt insbesondere für die durch Verordnung (EU) 833/2014 geregelten Finanzsanktionen. Nur die Umsetzung von Waffenembargos und Einreisesperren auf Grundlage von GASP-Beschlüssen (sowie die Schaffung von Straf- und Ordnungsvorschriften für Verstöße) wird praktisch immer den Mitgliedstaaten überlassen und nicht durch Verordnungen auf Grundlage von Art. 215 AEUV umgesetzt. Die Umsetzung erfolgte in Deutschland in den §§ 74 ff. AWV.

Sekundärsanktionen der USA

Von großer Bedeutung sind auch die sogenannten Sekundärsanktionen der USA (“secondary sanctions”). Anders als die Primärsanktionen der USA richten sich die Sekundärsanktionen nicht unmittelbar an US-Personen und Unternehmen, sondern vielmehr an alle Unternehmen, die bestimmte Geschäftsbeziehungen mit Bezug zu Russland unterhalten oder an Transaktionen beteiligt sind, die von den USA als unerwünscht eingestuft und sanktioniert wird. Beim Betreiben solcher Geschäfte können die Sekundärsanktionen der USA also auch für europäische Banken und Zahlungsdienstleister relevant werden. Verstöße können dazu führen, dass die Bankenbeziehungen zu US-Banken gesperrt werden oder nicht-US-Unternehmen sogar selbst den US-Sanktionen unterworfen werden. Den Sekundärsanktionen der USA kommt somit faktisch eine exterritoriale Wirkung zu, die die USA letztlich aufgrund ihres wirtschaftlichen Gewichts und ihrer Bedeutung für die betroffenen ausländischen Unternehmen durchsetzen kann.

Die Rechtsgrundlagen für diese Sekundärsanktionen wurden bereits 2014 im Zuge der Krim-Krise geschaffen und finden sich im Ukraine Freedom Support Act of 2014 (Sec. 5(b)) und dem Support for the Sovereignty, Integrity, Democracy, and Economic Stability of Ukraine Act of 2014 (Sec. 10(a)(2)(A)), jeweils geändert durch Sec. 226 und Sec. 228 des Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act 2017.

Überblick über die Finanzsanktionen der EU gegen Russland

Die Finanzsanktionen der EU sind im Wesentlichen in Art. 2 der Verordnung (EU) 269/2014 und in Art. 5 bis Art. 5j der Verordnung (EU) 833/2014 geregelt. Beide Verordnungen stammen bereits aus dem Jahr 2014 und wurden im Zuge der russischen Invasion im Februar und März 2022 sukzessive erweitert und verschärft. Die aktuellsten konsolidierten Fassungen (VO (EU) 269/2014: hier; VO (EU) 833/2014: hier) bilden die Sanktionsrechtslage zum 28. Februar 2022 ab. Beide Sanktionsverordnungen sind seitdem aber schon weiter angepasst worden, insbesondere durch Erweiterungen der Sanktionsliste der Verordnung (EU) 269/2014 sowie durch die Einfügung von Art. 5aa und Art. 5j der VO (EU) 833/2014.

Diese Finanzsanktionen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Art. 2 VO (EU) 269/2014 regelt ein Verfügungsverbot für die Gelder der in Anhang I der Verordnung (sog. “Sanktionsliste”) aufgeführten Personen sowie das Verbot, diesen Personen Gelder bereitzustellen. Institute, deren Kunden auf der Sanktionsliste aufgeführt sind, müssen die Konten und Gelder dieser Kunden einfrieren.
  • Art. 5 und Art. 5a VO (EU) 833/2014 regeln Verbote für Transaktionen und für die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit russischen Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten sowie für die Ausreichung bestimmter Darlehen. Insofern bestehen aber Ausnahmen, die unter näher geregelten Voraussetzungen für die Finanzierung nicht verbotener Einfuhren oder Ausfuhren von Gütern und nichtfinanziellen Dienstleitungen zwischen der EU und einem Drittstaat bestimmt sind. Insofern ist jedenfalls im Einzelfall genau zu prüfen, ob die Ausnahmevoraussetzungen vorliegen und hinreichend nachgewiesen werden können.
  • Art. 5aa VO (EU) 833/2014 regelt ein Verbot für Geschäfte mit bestimmten russischen Staatsunternehmen. Für dieses Verbot besteht regelt Abs. 3 eine politisch viel diskutierte Ausnahme für die Einfuhr von fossilen Brennstoffen und Edelmetallen.
  • Art. 5b, 5c, 5d VO (EU) 833/2014 regeln ein Verbot für die Entgegennahme von Einlagen aus Russland unter bestimmten Umständen sowie Ausnahmeregelungen und Genehmigungsmöglichkeiten für bestimmte Einlagen (z.B. zur Deckung von Grundbedürfnissen, Bezahlung von Honoraren, für humanitäre Zwecke oder zivilgesellschaftliche Aktivitäten zur direkten Förderung von Demokratie, Menschenrechten oder Rechtsstaatlichkeit in Russland).
  • Art. 5e VO (EU) 833/2014 regelt ein Verbot für die Erbringung von Zentralverwahrungsdienstleistungen für Wertpapiere, die in Russland ausgegeben werden.
  • Art. 5f VO (EU) 833/2014 regelt ein Verbot für den Verkauf von auf Euro lautenden Wertpapiere nach Russland.
  • Art. 5g VO (EU) 833/2014 regelt Meldepflichten für Banken gegenüber der nationalen Finanzaufsicht über bestimmte Einlagen russischer Personen.
  • Art. 5h VO (EU) 833/2014 ordnet den sogenannten SWIFT-Ausschluss bestimmter russischer Banken an (siehe hierzu näher unten).
  • Art. 5i VO (EU) 833/2014 regelt ein Verbot der Bereitstellung von Euro-Banknoten nach Russland.
  • Art. 5j VO (EU) 833/2014 verbietet die Erbringung von Ratingdienstleistungen für russische Staatsangehörige und Unternehmen (sog. “Ratingverbot”).

Die Bundesbank hat ein FAQ-Dokument (Stand: 17. März 2022) zur veröffentlicht, in dem einige technische Fragen zu diesen Sanktionen beantwortet werden.

Prüfung der Ausnahmeregelungen und Stichtagsregelungen im Einzelfall erforderlich

Schwierigkeiten bereitet die Anwendung der genannten Sanktionsregelungen spätestens sobald es darum geht, die verschiedenen Ausnahmen und die Erfüllung der Ausnahmevoraussetzungen im Einzelfall zu prüfen.

Hinsichtlich der Verbote bestehen einerseits in den meisten Fällen Ausnahmen für solche Geschäfte, die nachweislich nicht dazu dienen, verbotene Einfuhren oder Ausfuhren von Gütern und nichtfinanziellen Dienstleitungen zwischen der EU und einem Drittstaat zu finanzieren bzw. die für den nicht verbotenen grenzüberschreitenden Handel mit Russland erforderlich sind. Das bedeutet, dass immer dann eine Prüfung von Ausnahmen sinnvoll sein kann, wenn nicht Geschäfte mit eindeutig verbotenen Gütern (insbesondere Rüstungsgüter und Dual-Use-Güter) oder Geschäfte von individuell sanktionierten Personen (gemäß Sanktionslisten) im Raum stehen. Dann kommt es aber je nach Einzelfall darauf an, wie die jeweilige Ausnahmeregelung ausgestaltet ist, ob deren Voraussetzungen erfüllt sind und ob sich das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen auch hinreichend spezifisch nachweisen lässt.

Andererseits ist die Anwendbarkeit der jeweiligen Verbote zeitlich auf den Zeitraum nach Inkrafttreten der jeweiligen Verbotsregelung beschränkt. Das bedeutet aber nicht, dass in jedem Fall Altverträge und Bestandsgeschäftsbeziehungen vom Anwendungsbereich der Verbote ausgenommen wären. Vielmehr ist auch hier im Einzelfall eine Prüfung erforderlich, wo genau die Stichtage für die Anwendbarkeit der Regelungen liegen und welche Schritte im Abschluss und dem Vollzug der jeweiligen Geschäfte bis zu diesem Stichtag bereits ausgeführt sein mussten, um aus dem zeitlichen Anwendungsbereich der jeweiligen Sanktion zu fallen. Hierbei ist insbesondere mit der Schwierigkeit umzugehen, dass die Sanktionen teilweise schon seit 2014 in Kraft sind und teilweise erst in mehreren Schritten mit unterschiedlichen Stichtagsregelungen ergänzt wurden.

Insbesondere: SWIFT-Ausschluss russischer Banken ab 12.03.2022

Art. 5h der Verordnung (EU) 833/2014 ordnet den sogenannten SWIFT-Ausschluss bestimmter russischer Banken ab 12.03.2022 an.

SWIFT ist die Kurzbezeichnung für die S.W.I.F.T. S.C., die “Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication Société Coopérative”. Es handelt sich um eine privatwirtschaftliche Genossenschaft nach belgischem Recht, deren Mitglieder Banken und Finanzinstitutionen aus aller Welt sind. Die Bedeutung des SWIFT-Systems für den internationalen Zahlungsverkehr kann kaum überschätzt werden. Es handelt sich um das wichtigste und am weitesten verbreitete Kommunikationssystem für den Zahlungsverkehr.

Art. 5h wurde durch Art. 1 Nr. 3 der Verordnung (EU) 2022/345 zum Zweck der Verschärfung der Finanzsanktionen gegen Russland in die bisherige Basisverordnung (EU) 833/2014 eingefügt. Art. 5h lautet:

“Es ist ab dem 12. März 2022 verboten, spezialisierte Nachrichtenübermittlungsdienste für den Zahlungsverkehr, die für den Austausch von Finanzdaten verwendet werden, für die in Anhang XIV aufgeführten juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen oder für in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, deren Eigentumsrechte zu mehr als 50 % unmittelbar oder mittelbar bei einer in Anhang XIV aufgeführten Organisation liegen, zu erbringen.”

Hieraus ergibt sich ein an SWIFT gerichtetes Verbot, sein Kommunikationssystem für die Interbankenkommunikation den bereits sanktionierten russischen Banken zur Verfügung zu stellen. Weil SWIFT ein belgisches Unternehmen ist, unterliegt es der Sanktionsverordnung und dem sich daraus ergebenden Verbot unmittelbar.

Es handelt sich nicht um einen vollständigen Ausschluss russischer Banken. In Anhang XIV gelistet sind die Banken: Bank Otkritie, Novikombank, Promsvyazbank, Bank Rossiya, Sovcombank, Vnesheconombank (VEB) und VTB Bank; die Sberbank und die Gazprombank sind noch nicht gelistet und demnach noch nicht betroffen. Für betroffenen Banken bedeutet das Verbot aber faktisch einen Ausschluss vom internationalen Zahlungsverkehr. Die Abwicklung von Zahlungsströmen, beispielsweise auch für Online-Zahlungsdienste, ist ohne Nutzung des SWIFT-Systems theoretisch zwar denkbar, faktisch aber nicht möglich.

Denkbar ist insofern aber auch ein Ausweichen russischer Banken auf Kryptowährungen. Abzuwarten bleibt aber, wie sich internationale Wallet-Anbieter unter Risikogesichtspunkten und angesichts der teilweise zunächst unübersichtlich erscheinenden Sanktionsrechtlage im Hinblick auf ihre Russlandgeschäft positionieren werden. Erste Wallet-Anbieter haben bereits die Sperrung der Konten zahlreicher russischer Nutzer gemeldet und beabsichtigen eine strenge Kontrolle der Nutzung ihrer Services durch russische Wallet-Inhaber.

Ausblick

Sanktionsregelungen stellen typischerweise eine Rechtsmaterie dar, die häufigen und oftmals hochfrequenten Änderungen unterliegt (z.B. ist die Syrien-Sanktionsverordnung seit 2012 bereits rund 50 Mal geändert worden). Je nach Entwicklung der tatsächlichen Konfliktsituation werden auch die bestehenden Sanktionen gegen Russland noch weiter angepasst werden. Vor allem im Zusammenspiel mit der unübersichtlichen Regelungstechnik auf EU-Ebene (GASP-Beschluss, Basisrechtsakt und zahlreiche anschließende Änderungsverordnungen, meistens ohne konsolidierte Fassung) entwickeln sich Sanktionsregelungen schnell zu einem schwer überblickbaren Feld. Im konkreten Fall wird die Rechtslage zudem aufgrund der exterritorialen Wirkung sekundärer US-Sanktionen sowie weiterer drohender Gegensanktionen Russlands sogar umso anspruchsvoller.

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