Kammergericht: Bitcoin kein Finanzinstrument nach § 1 Abs. 11 KWG

Bitcoins sind keine Rechnungseinheit im Sinne des KWG.

Die Aussage hat es in sich. Sie steht der bisherigen Verwaltungspraxis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zur Behandlung sog. Kryptowährungen (Virtual Currencies) als Finanzinstrument in der Unterkategorie der Rechnungseinheit nach § 1 Abs. 11 Satz 1 Nr. 7 Kreditwesengesetz (KWG) diametral entgegen (siehe etwa BaFin-Positionspapier “Virtuelle Währungen/Virtual Currency (VC)” vom 28.4.2016; BaFin-Merkblatt “Hinweise zu Finanzinstrumenten nach § 1 Abs. 11 Sätze 1 bis 3 KWG” vom 20.12.2011, geändert am 26.07.2018 unter 2 b) gg)).

Getroffen hat die Aussage allerdings nicht die BaFin, sondern das Berliner Kammergericht im Leitsatz einer (letztinstanzlichen) strafrechtlichen Revisionsentscheidung vom 25. September 2018 (Az. (4) 161 Ss 28/18). Das Kammergericht hatte über die Strafbarkeit des Betreibers einer Internetplattform nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG zu entscheiden. Über die Internetplattform führte ihr Betreiber nicht näher bezeichnete Handelsaktivitäten mit Bitcoins im Auftrag von Kunden aus. Nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG ist das Betreiben von Bank- oder Finanzdienstleistungsgeschäft ohne eine entsprechende Erlaubnis nach § 32 KWG strafbar. Die BaFin hatte dem Betreiber den Betrieb untersagt und vertrat wie die Staatsanwaltschaft im Strafverfahren, dass Bitcoins Rechnungseinheiten und damit Finanzinstrumente im Sinne von § 1 Abs. 11 KWG seien und die Handelsaktivitäten mit Finanzinstrumenten in diesem Fall als erlaubnispflichtiges Bankgeschäft (z.B. in Form des Finanzkommissionsgeschäfts) oder Finanzdienstleistungsgeschäft (z.B. in Form der Anlagevermittlung, Abschlussvermittlung oder des Betriebs eines multilateralen Handelssystems) anzusehen seien.

Das Kammergericht ließ offen, welcher Tatbestand des § 1 Abs. 1 bzw. Abs. 1a KWG insoweit einschlägig war, da es mit folgenden Argumenten Bitcoins bereits im Ausgangspunkt nicht als Rechnungseinheiten ansah:

  • Der deutsche Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 13/7142, S. 69) mit der “Rechnungseinheit” eine den hierin ebenfalls genannten “Devisen” vergleichbare Kategorie von Einheiten aufsichtsrechtlich regeln wollen.
  • Hiermit sei ausdrücklich eine grenzüberschreitende Vergleichbarkeit von Waren und Dienstleistungen durch Verwendung einer entsprechenden Bewertungseinheit gemeint; dies zeige auch das in der Gesetzesbegründung verwendete Beispiel einer Rechnungseinheit in Gestalt der European Currency Unit (ECU) als bis 1998 geltender “EU-Haushaltswährung”.
  • Im Fall des Bitcoin als Kryptowährung fehle es an der Vergleichbarkeit mit Devisen, da Bitcoins nicht vergleichbar allgemein als Zahlungsmittel oder Referenzgröße anerkannt seien und abweichend von Devisen ein zentraler Emittent bzw. Tauschgarant fehle.
  • Der deutsche Gesetzgeber habe bei Einführung der Kategorie der Rechnungseinheit das deutlich jüngere Phänomen der Kryptowährung nicht gekannt und daher nicht “mitgeregelt”.

Im Ergebnis seien Kryptowährungen wie Bitcoin keine Rechnungseinheiten. Die BaFin sei mit ihrer hiervon abweichenden Verwaltungspraxis frei rechtsschöpfend tätig geworden und habe damit ihre Kompetenzen als Organ der Exekutive deutlich überschritten. Eine abweichende Beurteilung sei mit dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz nicht zu vereinbaren, wonach der Wortlaut einer Strafnorm das strafbare Verhalten für den Adressaten klar und bestimmt definieren muss. Soweit das Strafrecht.

Für die aufsichtsrechtliche Praxis der BaFin entfaltet das Urteil und die harsche Kritik des Kammergerichts freilich keine Bindungswirkung.

Es bleibt einstweilen dabei: Kryptowährungen und vergleichbare Currency Token sind im Rahmen des Bankaufsichtsrechts als Rechnungseinheiten im Sinne von § 1 Abs. 11 KWG anzusehen. Anders wäre dies erst, wenn die BaFin ihre Verwaltungspraxis ändern würde oder der Gesetzgeber auf den Plan träte. Beides ist gegenwärtig nicht in Sicht.

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