Kreditvergabe in Krisenzeiten – Sanierungskonzepte und Überwachungspflichten gemäß BTO 1.2.5 MaRisk

Die Folgen der Corona-Krise, Inflation, gestiegene Energiepreise und weiterhin bestehende Lieferengpässe setzen Unternehmen in Deutschland erheblich zu. Zwar haben die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen Wirkung gezeigt und Kreditinstitute – jedenfalls bisher – vor einer Flut von Non Performing Loans (NPL) bewahrt. Allerdings ist der Bedarf an Finanzierungen und Krediten hoch, da viele notleidende Unternehmen für die eigene Sanierung und zur Vermeidung der Insolvenz auf Drittgelder angewiesen sind.

Kreditinstitute gehen wegen erhöhter Kreditrisiken bei der Kreditvergabe deutlich zurückhaltender vor. Dies ist auch zwingend erforderlich, damit die zu finanzierenden Unternehmen in einem herausfordernden Marktumfeld bestehen können.

Erforderlichkeit eines Sanierungskonzeptes

Die gesetzlichen Regelungen verpflichten Kreditinstitute zur Risikoprüfung und sehen unterschiedliche Stufen der Kreditbearbeitung vor. Gemäß BTO 1.2.5 Tz. 4 der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (kurz MaRisk) muss sich ein Institut, das die Begleitung einer Sanierung in Betracht zieht, vom Kreditnehmer ein Sanierungskonzept zur Beurteilung der Sanierungsfähigkeit des Kreditnehmers vorlegen lassen und auf dieser Grundlage ein eigenes Urteil darüber treffen, ob die Sanierung erreicht werden kann.

In älteren Entscheidungen des BGH wurde diese Vorschrift dahingehend ausgelegt, dass ein Sanierungskonzept zu fordern ist, wenn sich der Kreditnehmer in einem „Stadium der Insolvenzreife“ befindet. Da der BGH in einer jüngeren Entscheidung (BGH, Urteil vom 12.04.2016 – XI ZR 305/14) ausdrücklich offen ließ, ob damit das Vorliegen eines Insolvenzeröffnungsgrundes nach §§ 17, 19 InsO gemeint ist oder ob eine Sanierungsbedürftigkeit früher gegeben sein kann, sollten Institute Sanierungskonzepte schon dann fordern, wenn sich ein Kreditnehmer in einem krisenhaften Stadium befindet.

Mindestanforderungen an das Sanierungskonzept

Der Umfang von Sanierungskonzepten hängt von jedem individuellen Fall ab. Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein ausreichendes Sanierungskonzept vor, wenn ein in sich schlüssiges Konzept vorliegt, das von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht, ernsthafte Aussicht auf Erfolg hat und dabei die Bereinigung sämtlicher Verbindlichkeiten umfasst.

Konkret müssen folgende Sachverhalte in dem Sanierungskonzept abgebildet werden:

  • Wirtschaftliche Ausgangssituation des Kreditnehmers, also etwa rechtliche Verhältnisse, Unternehmenszweck, Märkte, Produkte, Beschreibung interner Organisation, Information über technischen Stand der Produktionsverfahren und Investitionsschwerpunkte;
  • Status der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers, etwa Liquiditäts-, Vermögens- und Ertragslage;
  • Darstellung der Ursachen, die zur Krise des Kreditnehmers führten; und
  • Darstellung der Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, die Krisensituation zu überwinden, ggf. mithilfe von Planrechnungen und anhand eines Zeitplanes für die Schritte der Sanierung.

Etwa durch Vorlage eines nach IDW S6 erstellten Sanierungskonzeptes erfüllen Kreditgeber in Krise und Sanierung ihres Kreditkunden die regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Anforderungen nach MaRisk. Der BGH verlangt eine positive Fortführungsprognose in dem Sanierungskonzept, die sich auf einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren (abhängig u.a. von der Branche, vom Geschäftsmodell oder vom Krisenstadium) erstreckt. Das gilt für jedes Unternehmenskonzept, das eine erfolgreiche Sanierung nachweisen soll.

Mögliche Rechtsfolgen bei Verstoß der Institute

Die Forderung eines Sanierungskonzepts ist für Kreditinstitute unabdingbar, wenn in der Krise die Gewährung neuer Kredite beabsichtigt ist. Bei Nichteinholung des Konzepts trotz Vorliegens von Sanierungsbedürftigkeit i.S.v. BTO 1.2.5 Tz. 4 MaRisk drohen unter anderem die folgenden rechtlichen Konsequenzen:

  • Sittenwidrigkeit der Kreditvergabe, § 138 BGB;
  • Schadensersatzansprüche von Drittgläubigern, § 826 BGB;
  • Insolvenzanfechtung, § 133 InsO; und
  • Strafrechtliches Risiko – (Beihilfe zur) Insolvenzverschleppung, § 15a Abs. 4 InsO.

Informations- und Überwachungspflichten der Institute

Mit Vorlage des Sanierungskonzeptes und der darauffolgenden Entscheidung der Kreditinstitute, ein Darlehen trotz Krisenstadiums des Kunden zu gewähren, sind die Pflichten der Institute nicht abschließend erfüllt. Vielmehr ist die Umsetzung des Sanierungskonzeptes fortlaufend zu überwachen, BTO 1.2.5 Tz. 5 MaRisk.

Umfang der Überwachungspflichten

Zunächst haben Kreditinstitute zu prüfen, ob der Kunde die angekündigten und geplanten Sanierungsmaßnahmen tatsächlich einleitet. Aber auch während des weiteren Fortgangs der Sanierung ist das beteiligte Kreditinstitut zur regelmäßigen Umsetzungskontrolle verpflichtet. Dies kann z.B. durch die Kontrolle vereinbarter bzw. im Sanierungskonzept vorgesehener Zeitpläne oder durch regelmäßige Soll-Ist-Vergleiche erfolgen, wobei Institute erforderlichenfalls auf Spezialisten zurückgreifen dürfen.

Abweichungen von der ursprünglichen Planung müssen in ihren Ursachen und Auswirkungen erfasst und analysiert werden. Die durch die Umsetzungskontrolle gewonnenen Erkenntnisse müssen durch Fortschreibung und Anpassung des Sanierungskonzepts berücksichtigt werden.

Sofern erkennbar wird, dass das Sanierungskonzept nicht zu einer Sanierung des Unternehmens führen wird, müssen die Sanierungsmaßnahmen abgebrochen werden, sofern eine Anpassung des Sanierungskonzeptes keine Aussicht auf Erfolg verspricht. Denn nicht nur die Einleitung eines aussichtslosen Sanierungsversuchs, sondern auch seine Fortsetzung trotz Aussichtslosigkeit des Vorhabens ist mit einer besonderen Gefährdung der Drittgläubiger verbunden. Zu einer laufenden Überwachung ist das Kreditinstitut daher nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch im Interesse der Drittgläubiger verpflichtet (zu denkbaren Rechtsfolgen vgl. oben).

Regelmäßige Berichtspflichten in Kreditverträgen zu vereinbaren

Gemäß BTO 1.2.5 Tz. 6 S. 1 MaRisk ist die Geschäftsleitung der Kreditinstitute bei bedeutenden Engagements regelmäßig über den Stand der Sanierung zu informieren. Für die Ausgestaltung von Kreditverträgen ist u.a. zu empfehlen, dass Kreditnehmer und ggf. dessen Sanierungsberater verpflichtet werden, die an der Sanierung beteiligten Institute regelmäßig und ausführlich über die Einhaltung und Umsetzung des Sanierungskonzeptes zu informieren. Dies gilt gleichermaßen für außerordentliche Ereignisse, die die Sanierung des Kreditnehmers wesentlich beeinflussen können. Auch im Übrigen muss das Sanierungskonzept und dessen Einhaltung als zentraler Bestandteil in Kreditverträge integriert werden. Im Hinblick auf die möglichen Haftungsrisiken sollte für die vertragliche Ausgestaltung rechtliche Beratung in Anspruch genommen werden.

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