MiCA und TOFR: Umfassende Regulierung des europäischen Kryptomarkts steht bevor (Teil I: Krypto-Dienstleister in der MiCA-VO)

Verfahrensstand

Am 30. Juni 2022 hat der Rat der Europäischen Union mitgeteilt, dass die Trilogverhandlungen zur Verständigung auf bestimmte Regelungsvorschläge, die Teil eines EU-Pakets zur Digitalisierung des Finanzwesens sein sollen, nunmehr abgeschlossen sind.

Dieses EU-Paket zur Digitalisierung des Finanzwesens besteht aus den Vorschlägen der Europäischen Kommission (vom 24. September 2020) für

Durch die Einführung dieser aufsichtsrechtlichen Regelungen für das digitalisierte, vor allem auf Kryptowerte fokussierte Finanzwesen, soll künftig ein einheitlicher Rechtsrahmen in der gesamten EU geschaffen werden. Durch diesen einheitlichen Rechtsrahmen sollen jurisdiktionsübergreifende Geschäftsaktivitäten in Bezug auf Kryptowerte erleichtert werden. Gleichzeitig sollen Anleger geschützt werden, indem die Marktintegrität und Finanzstabilität unter behördliche Aufsicht gestellt werden.

In den Trilogverhandlungen der vergangenen Monate haben sich die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union jeweils auf eine finale Fassung für die genannten Regelungen geeinigt. Sie sollen nun, nach formeller Billigung durch die Europäische Kommission und das Europäische Parlament, im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren als EU-Verordnungen verabschiedet werden. Aufgrund der im Trilogverfahren schon vorab erzielten inhaltlichen Einigungen kann nun davon ausgegangen werden, dass es im formellen Gesetzgebungsverfahren nicht mehr zu wesentlichen Diskussionen und Änderungen kommen wird.

Hinsichtlich der MiCA-VO hat der Rat der Europäischen Union hat am 5. Oktober 2022 sogar schon gegenüber dem Europäischen Parlament seine Billigung mitgeteilt (vgl. Art. 294 Abs. 4 AEUV), sodass nun eine Verabschiedung der Verordnung in erster Lesung möglich ist. Der Mitteilung des Rates der Europäischen Union vom 5. Oktober 2022 liegt der als Ergebnis der Trilogverhandlungen finalisierte Verordnungstext der MiCA-VO bei.

Die in den Trilogverhandlungen finalisierten Texte für die DORA-VO und die Pilotregelungen für auf der Distributed-Ledger-Technologie basierende Marktinfrastrukturen sind bisher noch nicht veröffentlicht.

Der Rat der Europäischen Union hat aber ein synoptisches Dokument (vom 28. März 2022) auf Grundlage der Vorschläge der Europäischen Kommission vom 24. September 2020 mit hierauf bezugnehmenden Änderungsvorschlägen sowohl des Europäischen Parlaments als auch des Rates der Europäischen Union selbst veröffentlicht. Dieses synoptische Dokument ist also abgesehen von der Mitteilung des Rates der Europäischen Union vom 5. Oktober 2022 die aktuellste Veröffentlichung zu den intendierten Regelungen. Diesem synoptischen Dokument können vor allem Anhaltspunkte für die Genese der Regelungen und den hierzu geführten Diskussionen entnommen werden.

Allgemeiner Anwendungsbereich der MiCA-VO

Die MiCA-VO wird für die Emission und das Angebot von Kryptowerten sowie für bestimmte Dienstleistungen in Bezug auf Kryptowerte gelten. Der zentrale Begriff, um dem Anwendungsbereich der MiCA-VO zu überblicken, ist der Begriff des „Kryptowerts“ (auch: Crypto-Asset). Bezieht sich ein bestimmtes Geschäft oder Geschäftsmodell auf Kryptowerte im Sinne der MiCA-VO, muss dementsprechend geprüft werden, ob dieses Geschäft oder Geschäftsmodell zu der Gruppe an Geschäften zählt, die den aufsichtsrechtlichen Anforderungen der MiCA-VO unterliegen.

Erfasste Kryptowerte

Die MiCA-VO legt eine eigene Definition für den Begriff „Kryptowert“ fest. Ein Kryptowert ist danach eine digitale Darstellung von Werten oder Rechten, die unter Verwendung der Distributed-Ledger-Technologie oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden können (vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 MiCA-VO). Das Europäische Parlament hatte darüber hinaus vorgeschlagen, die Definition zu ergänzen und festzulegen, dass ein Kryptowert eine Rechtsposition darstellt, die kryptographische Sicherheitsverfahren nutzt und die Form eines Coins, eines Token oder eines anderen digitalen Mediums hat (vgl. den Vorschlag des Europäischen Parlaments zu Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 MiCA-VO). Das Europäische Parlament scheint sich aber mit diesen zusätzlichen Definitionsmerkmalen nicht durchgesetzt zu haben.

Die allgemeine Definition wird dann in drei Unterkategorien aufgeteilt (vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 MiCA-VO):

Wertreferenzierte Token (oft auch als „stable coins“ bezeichnet): Diese Kryptowerte werden mit dem Ziel gestaltet, wertstabil zu bleiben, indem sie auf eine oder mehrere Währungen, Waren oder sogar andere Kryptowerte bezogen werden. Praktisch dienen sie deshalb auch üblicherweise als wertwahrende Anlageform.

E-Geld Token: Diese Kryptowerte dienen dazu, als Zahlungsmittel eingesetzt zu werden. Damit ähneln sie stark dem E-Geld im Sinne der Richtlinie (EG) 2009/110 („E-Geld-Richtlinie“). Sie sind im Wert an die Währung eines bestimmten gesetzlichen Zahlungsmittels gekoppelt. Der Inhaber des Token kann vom Emittenten verlangen, den Wert des E-Geld Token in dem jeweiligen Währungsnennwert auszuzahlen. Auch E-Geld Token werden landläufig häufig als „stable coins“ bezeichnet. Der wesentliche Unterschied zu wertreferenzierten Token besteht darin, dass E-Geld Token an genau eine bestimmte Währung gekoppelt sind und deshalb nicht nur wertwahrend, sondern auch als alternatives Zahlungsmittel eingesetzt werden können sollen. Der Begriff „stable coins“ ist für E-Geld Token deshalb grundsätzlich nicht falsch. Er erfasst aber wesentlich mehr als nur die an eine bestimmte Währung gekoppelten E-Geld Token.

Utility Token: Diese Kryptowerte gewähren digitalen Zugang zu einer Ware oder Dienstleistung des Emittenten über eine Distributed-Ledger-Technologie.

Die MiCA-VO beinhaltet sowohl allgemeine Regelungen, die auf alle diese Kryptowerte anwendbar sind, als auch verschiedene spezielle Regelungskomplexe, die jeweils nur auf eine bestimmte Gruppe von Kryptowerten anwendbar sein sollen.

Nicht von der MiCA-VO sollen dagegen insbesondere Finanzinstrumente im Sinne der Richtlinie (EU) 2014/65 („MiFiD II“) und E-Geld im Sinne der E-Geld-Richtlinie erfasst sein (vgl. Art. 2 Abs. 3 lit. a und lit. ca MiCA-VO i.V.m. Art. 4 Nr. 25 der Richtlinie (EU) 2015/2366 i.V.m. Art. 2 Nr. 2 E-Geld-Richtlinie).

Aus den verschiedenen Vorschlägen, die im Rahmen der Trilogverhandlungen gemacht worden sind ist aber ersichtlich, dass die Abgrenzung zwischen Finanzinstrumenten, E-Geld und Kryptowerten im Sinne der MiCA-VO nicht einfach sein wird. Ausgehend von den Formulierungsvorschlägen des Europäischen Parlaments zu Art. 2 Abs. 2a MiCA-VO beinhaltet Art. 2 Abs. 3 a.E. MiCA-VO nunmehr einen Auftrag an die ESMA, in technischen Standards festzulegen, anhand welcher Kriterien bestimmte Kryptowerte eher als Finanzinstrumente im Sinne der MiFiD II bzw. eher als Kryptowerte im Anwendungsbereich der MiCA-VO eingeordnet werden sollen. Die konkrete Umsetzung dieser Abgrenzung steht also noch nicht fest.

Auch angesichts zahlreicher weiterer Ausnahmen vom Anwendungsbereich wird deutlich, dass eine besondere Herausforderung darin bestehen wird, die Regelungen der MiCA-VO passgenau in das bereits bestehende Regelungsgefüge einzusortieren und hierbei sowohl Überschneidungen als auch Regelungslücken zu vermeiden.

Non-Fungible-Token (NFTs)

Ein Bereich, der derzeit große öffentliche Aufmerksamkeit erfährt, ist der Markt der sogenannten Non-Fungible-Token („NFTs“).

Klar ist, dass NFTs nicht als eine eigene Kategorie der von der MiCA-VO regulierten Kryptowerte definiert werden. Das bedeutet zunächst, dass die Ausgabe von NFTs und das Angebot von Dienstleistungen rund um NFTs nicht allgemein den Regularien der MiCA-VO unterfallen werden. Anders als zuweilen verlautbart wird folgt daraus aber gerade nicht sicher, dass die MiCA-VO auf solche Token, die nach derzeitiger Praxis als NFTs bezeichnet werden, überhaupt nicht anwendbar wäre.

Aus den bisher diskutierten Formulierungsvorschlägen sowie aus dem Text der nun vom Rat der Europäischen Union vorgelegten MiCA-VO ist ersichtlich, dass das maßgebliche Kriterium darin zu suchen sein wird, ob ein NFT wirklich non-fungible ist, oder nicht. Auf Vorschlag des Rates der Europäischen Union enthält Art. 2 Abs. 2a MiCA-VO folgende Regelung zu NFTs:

This regulation does not apply to crypto-assets that are unique and not fungible with other crypto-assets.

Eine hilfreiche Erläuterung hierzu enthalten darüber hinaus die Erwägungsgründe 6b und 6c der MiCA-VO, die auf Erwägungsgrund 8b des Vorschlags des Rates der Europäischen Union zurückgehen:

…including digital art and collectibles, whose value is attributable to each crypto-asset’s unique characteristics and the utility it gives to the token holder. […]

While these crypto-assets might be traded in market places and be accumulated speculatively, they are not readily interchangeable and the relative value of one crypto-asset in relation to another, each being unique, cannot be ascertained by means of comparison to an existing market or equivalent asset. Such features limit the extent to which these crypto-assets can have a financial use, thus limiting risks to users and the system, and justifying the exemption […]

The fractional parts of a unique and non-fungible crypto-asset should not be considered unique and not fungible. […] The assets or rights represented should also be unique and not fungible for the crypto-asset to be considered unique and not fungible.

Die Ausgabe und der Vertrieb von NFTs, die tatsächlich auf ein Referenzobjekt individualisiert sind, sollen also weiterhin unbürokratisch und unkompliziert möglich sein. Bei solchen NFTs besteht kein relevantes Risiko für einen Marktpreisverfall bei einem potentiellen Einsatz als Zahlungsmittel. Deshalb ist der Schutzbedarf für den Markt der echten NFTs nach Ansicht des europäischen Gesetzgebers gering.

Angesichts der obigen Formulierungen wäre nun zu vermuten, dass die Ausnahme dementsprechend nicht für solche Token gilt, die nicht allein auf ihr jeweiliges Referenzobjekt individualisiert sind, z.B. im Falle von Kollektionen, bei denen für ein einheitliches oder zusammenhängendes Referenzobjekt eine ganze Sammlung von gleichartigen Token ausgegeben wird. Diese Token der Sammlung könnten dann als fungible – also austauschbar – gelten und insofern ein relevantes Marktrisiko mit sich bringen, sodass sie nicht mehr von der oben vorgestellten engen Ausnahme profitieren würden. In diese Richtung argumentieren einige der bisher veröffentlichten Fachbeiträge zur Anwendbarkeit der MiCA-VO auf NFTs.

Erkennbar ist jedenfalls eine deutliche Tendenz dahingehend, dass die Regelungen der MiCA-VO so gestaltet und in der aufsichtsrechtlichen Praxis angewandt werden könnten, dass die formelle Ausgestaltung eines Kryptowerts als NFT nicht als einfache Umgehungsmöglichkeit genutzt werden kann. NFTs werden wohl nur dann vom Anwendungsbereich der MiCA-VO ausgenommen sein, wenn sie auch wirklich non-fungible sind. Darüber hinaus ist aber derzeit aber noch unklar, welche Varianten von Token, die derzeit als NFT bezeichnet werden, letztlich unter die hier vorgestellte Ausnahmeregelung oder möglicherweise in eine der Kategorien von regulierten Kryptowerten fallen könnten.

Damit ist das Thema der (potentiellen) Regulierung von NFTs zudem auch noch nicht erledigt: In der Pressemitteilung des Rates der Europäischen Union heißt es hierzu, dass die Europäische Kommission innerhalb von 18 Monaten beauftragt werden wird, eine umfassende Bewertung der vorgesehenen NFT-Ausnahmeregelung vorzunehmen und auf dieser Basis gegebenenfalls einen weiteren Vorschlag zur Schaffung einer Regelung für NFTs auszuarbeiten. Die zukünftige rechtliche Behandlung von NFTs bleibt also ein spannendes und in Bewegung befindliches Feld.

Whitepaper- und Zulassungserfordernisse für die Emission und das öffentliche Anbieten von Kryptowerten

Die größte Wirkung auf den Markt der Kryptowerte dürften die in der MiCA-VO vorgesehenen neuen aufsichtsrechtlichen Verpflichtungen für Emittenten und Anbieter von Kryptowerten haben.

Einerseits wird die MiCA-VO es für die Emission und das öffentliche Angebot von Kryptowerten grundsätzlich erforderlich machen, dass der Emittent ein sogenanntes Krypto-Whitepaper erstellt, dieses bei der Aufsichtsbehörde notifiziert und veröffentlicht. Die Vorgaben zur Gestaltung dieses Krypto-Whitepapers sind nach dem Vorbild bestehender prospektrechtlicher Vorgaben modelliert. In diesem Krypto-Whitepaper sind der betreffende Kryptowert und der Emittent eingehend zu beschreiben. Für Schäden von Anlegern aufgrund fehlerhafter oder irreführende Informationen können der Emittent und dessen Geschäftsleitung in die Haftung genommen werden.

Andererseits bedürfen Unternehmen, die wertreferenzierte Token („stable coins“) ausgeben wollen, hierfür einer gesonderten Zulassung (vgl. Art. 15 MiCA-VO). Die Ausgabe von E-Geld Token ist demgegenüber nur E-Geld Instituten bzw. Kreditinstituten erlaubt (vgl. Art. 43 MiCA-VO). Die Ausgabe ohne entsprechende Zulassung wäre nach dem aktuellen Entwurf der MiCA-VO verboten. Zusätzliche, besonders strenge Anforderungen und Pflichten gelten für die Emittenten sogenannter signifikanter wertreferenzierter Token und signifikanter E-Geld Token. Die Einstufung als signifikant hängt insbesondere von der Größe des Kundenstamms des Emittenten, dem Wert bzw. der Marktkapitalisierung des Token sowie von anderen Größenparametern ab (vgl. Art. 39 und Art. 50 MiCA-VO).

Bereits zugelassene Kreditinstitute und E-Geld Institute werden dementsprechend aber keinen zusätzlichen Zulassungserfordernissen nach der MiCA-VO unterworfen. Für Kreditinstitute wird so das gesonderte Zulassungserfordernis für die Emission von wertreferenzierten Token („stable coins“) entfallen (vgl. Art. 15 Abs. 1 lit. b, Abs. 15a und Art. 43 Abs. 1 lit. a MiCA-VO). Sowohl Kreditinstitute als auch E-Geld Institute werden E-Geld Token ausgeben dürfen (vgl. Art. 43 Abs. 1 lit. a MiCA-VO). Die übrigen Pflichten und aufsichtsrechtlichen Anforderungen der MiCA-VO werden weitestgehend auch für Kreditinstitute und E-Geld Institute gelten.

Zulassung und Regulierung für Kryptowerte-Dienstleistungen

Neben der Emission und dem öffentlichen Angebot von Kryptowerten wird auch die Erbringung zahlreicher Dienstleistungen im Zusammenhang mit Kryptowerten künftig einem Zulassungserfordernis unterliegen. Die MiCA-VO wird sich nach derzeitigem Stand auf die folgenden Dienstleistungen beziehen:

  • Verwahrung und Verwaltung von Kryptowerten für Dritte;
  • Betrieb einer Handelsplattform für Kryptowerte;
  • Tausch von Kryptowerten gegen Nominalgeldwährungen, die gesetzliches Zahlungsmittel sind;
  • Tausch von Kryptowerten gegen andere Kryptowerte;
  • Ausführung von Aufträgen über Kryptowerte für Dritte;
  • Platzierung von Kryptowerten;
  • Transfer von Kryptowerten für Dritte;
  • Annahme und Übermittlung von Aufträgen über Kryptowerte für Dritte;
  • Beratung zu Kryptowerten
  • Portfoliomanagement für Kryptowerte.

Diejenigen Dienstleistungen, die voraussichtlich in den Anwendungsbereich der MiCA-VO fallen werden, erinnern inhaltlich und strukturell an die schon durch die MiFiD II regulierten Wertpapierdienstleistungen. Gerade weil sich die MiFiD II-Dienstleistungen und die MiCA-Dienstleistungen stark ähneln, soll in der MiCA-VO eine Ausnahmeregelung geschaffen werden, die bereits als Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut oder Wertpapierinstitut zugelassene Unternehmen von der Zulassungspflicht für genau die Kryptowerte-Dienstleistungen ausnimmt, die denjenigen Finanz- bzw. Wertpapierdienstleistungen entsprechen, für die bereits eine Zulassung vorliegt.

Die Einzelheiten dieser Ausnahmeregelung ergeben sich aus Art. 53 Abs. 1 MiCA-VO i.V.m. Art. 53a MiCA-VO und lassen erkennen, dass zumindest eine Anzeigepflicht für MiFiD II-regulierte Unternehmen eingeführt werden soll. Danach müssen die betreffenden Unternehmen vor Aufnahme der beabsichtigten Kryptowerte-Dienstleistungen Informationen und Nachweise über die beabsichtigen Geschäfte, die technischen Einrichtungen zur Durchführung dieser Geschäfte, die bestehenden Kontrollverfahren sowie weitere Informationen – je nach beabsichtigter Dienstleistung – bei der zuständigen Aufsichtsbehörde vorlegen müssen. ESMA und EBA sollen damit beauftragt werden, technische Standards zu entwickeln, die genauere Vorgaben im Hinblick auf die vorzulegenden Unterlagen machen (vgl. Art. 53a Abs. 10 MiCA-VO).

Damit entsteht für MiFiD II-regulierte Unternehmen zumindest insofern ein kleiner Vorteil, als kein vollständiges Zulassungsverfahren durchlaufen werden muss. Nichtsdestoweniger werden solche Unternehmen aber nachweisen müssen, dass sie die erforderlichen aufsichtsrechtlichen Anforderungen für die jeweils beabsichtigten Kryptowerte-Dienstleistungen erfüllen.

Sonderproblem Kryptoverwahrgeschäft

Aus diesem Regelungsansatz ergibt sich eine besondere Fragestellung für das deutsche Recht. Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 6 KWG bereits mit Wirkung seit Anfang 2020 eine Erlaubnispflicht für das Kryptoverwahrgeschäft eingeführt. Er ist damit einen Sonderweg gegangen. Die Regulierung des Kryptoverwahrgeschäfts in Deutschland beruht nicht auf einer EU-Vorgabe. Das Kryptoverwahrgeschäft wird nun durch die MiCA-VO mit abweichendem Tatbestand und nicht mit dem KWG kongruenten Rechtsfolgen eigens der europäischen Regulierung unterworfen. Der deutsche Erlaubnistatbestand für das Kryptoverwahrgeschäft wird dementsprechend mit dem Inkrafttreten der MiCA-VO obsolet.

Gerade weil die im deutschen Recht vorgesehene Erlaubnis für das Kryptoverwahrgeschäft nicht auf einer EU-Vorgabe fußt, ist die bereits angesprochene Ausnahmeregelung der MiCA-VO für MiFiD II-regulierte Unternehmen nicht unmittelbar auf Unternehmen mit einer deutschen Kryptoverwahrerlaubnis anwendbar. Denn die Ausnahmeregelung basiert auf dem Gedanken, dass bestimmte Kryptowerte-Dienstleistungen und schon auf europäischer Grundlage regulierte Wertpapierdienstleistungen sich inhaltlich entsprechen. Das gilt dementsprechend aber nur für Geschäfte, für deren regulatorische Zulassung auch eine europäische Grundlage besteht. Das ist für das im deutschen Recht regulierte Kryptoverwahrgeschäft aber, wie dargestellt, nicht der Fall.

Zwei Aspekte deuten aber darauf hin, dass Unternehmen mit einer deutschen Kryptoverwahrerlaubnis sich möglicherweise doch auf die Ausnahmeregelung berufen können werden. Erstens regelt der (im finalisierten Text vom 5. Oktober 2022 erstmals auftauchende) Art. 53a Abs. 2 lit. –a MiCA-VO, dass bestehende Erlaubnisse für die Nebendienstleistung der Verwahrung und Verwaltung von Finanzinstrumenten im Sinne von Anhang I Abschnitt B Nr. 1 MiFiD II als Äquivalent des neuen Tatbestands des Kryptoverwahrgeschäfts nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 MiCA-VO gelten sollen. In der deutschen Umsetzung der MiFiD II handelt es sich hierbei um das Depotgeschäft als Nebendienstleistung zu Wertpapierdienstleistungen (vgl. § 2 Abs. 9 Nr. 1 WpHG, § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpIG). Zweitens stellt der deutsche Erlaubnistatbestand des Kryptoverwahrgeschäfts praktisch eine subsidiäre Sondererlaubnisregelung für das Depotgeschäft speziell im Hinblick auf Kryptowerte dar. Das bedeutet, es ließe sich hier möglicherweise anführen, die neu in die MiCA-VO aufgenommene Regelung Art. 53a Abs. 2 lit. –a MiCA-VO ziele gerade darauf ab, die Ausnahmeregelung auch in denjenigen Fällen anwendbar zu machen, in denen Unternehmen bereits auf Grundlage einer Depotgeschäft-basierten Erlaubnis die Dienstleistung der Kryptoverwahrung erbringen.

Nichtsdestoweniger dürften sich Kryptoverwahrer mit einer Erlaubnis nach deutschem Recht längst nicht darauf verlassen können, dass sie aufgrund ihrer bestehenden Erlaubnis in Deutschland ohne weiteres von der Zulassungspflicht nach der MiCA-VO ausgenommen sein werden.

Gerade weil die MiCA-VO aber die Motivation verfolgt, adäquate bestehende Erlaubnisse nicht unnötig durch die Einführung neuer Zulassungspflichten zu doppeln, erscheint es naheliegend, dass die praktischen Auswirkungen in der Umsetzung durch die Aufsichtsbehörden für solche Fälle eher gering und mit überschaubarem Aufwand (z.B. Nachreichung oder lediglich Aktualisierung bestimmter Unterlagen und Erklärungen) zu bewältigen sein könnten.

Eine Lösung wird hier in erster Linie vom deutschen Gesetzgeber sowie – nachgelagert – von der Aufsicht zu erwarten sein.

Weil die MiCA-VO in Form einer Verordnung verabschiedet werden wird, wird sie unmittelbar in den Mitgliedstaaten anwendbar sein (vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV). Deshalb muss der deutsche Gesetzgeber sicherstellen, dass die bisherigen deutschen Regelungen zum Kryptoverwahrgeschäft nicht im Konflikt mit der MiCA-VO stehen. Verordnungen der EU genießen insofern Priorität. Das Inkrafttreten der MiCA-VO wird dementsprechend auch dazu führen, dass für das Kryptoverwahrgeschäft im Sinne der MiCA-VO formal eine neue Erlaubnis auf Grundlage der neuen europäischen Vorgaben erforderlich sein wird. Umso wichtiger wird aber auch die Rolle der Aufsicht bei der Überführung der bisherigen Erlaubnisse für das Kryptoverwahrgeschäft in einen MiCA-konformen Zustand sein. Hierfür wird eine adäquate und mit möglichst geringem Aufwand verbundene Verfahrenslösung von der Aufsicht zu finden sein.

Marktfolgen

Für unterschiedliche Arten von Kryptowerten wird die MiCA-VO, wie gezeigt, unterschiedlich hohe regulatorische Anforderungen mit sich bringen. Vor allem für E-Geld Token werden mit der MiCA-VO erhebliche Compliance-Hürden aufgestellt werden.

Daraus folgt auch, dass der finanzielle und organisatorische Aufwand, der mit der Einhaltung der Erlaubnis- und Compliance-Anforderungen einhergehen wird, je nach Geschäftsmodell und Kryptowert-Fokus stark variieren wird.

Insbesondere junge Unternehmen im Kryptomarkt, deren Geschäftsmodell durch die MiCA-VO reguliert – und gegebenenfalls sogar erlaubnispflichtig – werden wird, könnten vor schwer zu bewältigenden Herausforderungen stehen. Auch Anbieter aus Drittländern, die über das Internet gezielt in der EU Kryptowerte-Dienstleistungen anbieten, sind hiervor betroffen. Nach derzeitigem Stand wird das Anbieten von Kryptowerte-Dienstleistungen nur zulässig sein für Anbieter, die ihren Sitz in einem EU-Mitgliedstaat haben und an diesem Unternehmenssitz auch tatsächlich zumindest teilweise ihre Dienstleistungen erbringen (vgl. Art. 53 Abs. 1 MiCA-VO).

Das gilt umso mehr, als Art. 123 MiCA-VO nach derzeitigem Stand erkennen lässt, dass Bestandsschutz nur in sehr eng gezogenen Grenzen gewährt werden wird. Danach sollen bereits vor Inkrafttreten der MiCA-VO beendete öffentliche Angebote nicht den Informationspflichten (insbesondere Krypto-Whitepaper und Marketingmitteilungen) unterliegen. Angebote für Kryptowerte, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens noch laufen, unterliegen nur einzelnen Informationspflichten. Die Bestandsschutzregeln sollen aber nicht für wertreferenzierte Token („stable coins“) und E-Geld Token gelten. Es ist also davon auszugehen, dass Anbieter von wertreferenzierten Token und E-Geld Token weitestgehend allen Anforderungen der MiCA-VO gerecht werden müssen. Mancher Anbieter wird sich dem nicht aussetzen können oder wollen.

Erforderlich wird dann eine effiziente und compliance-orientierte Bewertung und gegebenenfalls Anpassung des laufenden Geschäfts. Sofern eine Beschränkung auf Tätigkeiten außerhalb des Anwendungsbereichs der MiCA-VO (z.B. reine crypto-analytic Leistungen) nicht in Betracht kommt, können Alternativen zum Erlaubnisverfahren MiCA-VO beispielsweise Auslagerungs- bzw. Lizenz-Franchise-Lösungen sein. Auch für derartige Lösungen haben Unternehmen jedoch einigen Aufwand zu betreiben.

Mit anderen Worten: Eine gewisse Marktbereinigung erscheint unausweichlich.

Diese Marktbereinigung und die ursächliche Regulierung dürfte mittel- und langfristig aber das Vertrauen in die Anbieter auf dem Kryptomarkt und ihre Dienstleistungen erhöhen. Im besten Fall wird die MiCA-VO also helfen, ein bislang zentrales Problem des Kryptomarkts zu lösen.

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