Das Verbot des Gebührenmodells Payment for Order Flow („PFOF“) durch die EU und die Aufsichtsmitteilung der BaFin zum Umgang mit dem PFOF-Verbot

Die Änderung der MiFIR-Verordnung tritt am 28. März 2024 in Kraft

Am 28. März 2024 tritt ein EU-weites Payment for Order Flow Verbot in Kraft. Dieses Verbot ergibt sich aus Art. 39a der sogenannten MiFIR-Verordnung ((EU) 600/2014 – Markets in Financial Instruments Regulation – „MiFIR“).

Art. 39a MiFIR wurde durch die Verordnung (EU) 2024/791 („MiFIR-Änderungsverordnung“) eingefügt. Gemäß Art. 2 MiFIR-Änderungsverordnung treten die Änderungen am 20. Tag nach der Veröffentlichung der Verordnung im Amtsblatt der EU in Kraft. Die Veröffentlichung erfolgte am 8. März 2024, sodass der neue Art. 39a MiFIR ab 28. März 2024 gilt.

Das Gebührenmodell Payment for Order Flow / PFOF

Der Begriff Payment for Order Flow beschreibt ein Gebührenmodell, das vor allem bei (Neo- und Online-) Brokern zum Einsatz kommt. Die bekanntesten dieser Broker sind Scalable Capital, Trade Republic, Smartbroker, Justtrade und Finanzen.net zero. Die Broker fungieren hierbei als Intermediäre, die die Kundenaufträge zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten an bestimmte börsliche oder außerbörsliche Handelsplätze bzw. an die auf diesen Handelsplätzen (groß-)handelnden Marktteilnehmer weiterleiten. Bei solchen Marktteilnehmern handelt es sich regelmäßig um sog. Market Maker oder systematische Internalisierer, die Eigenhandel in bestimmten Ausprägungen betreiben, indem sie als Vertragspartner für die auftraggebenden Kunden beim Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten auftreten.

Diese Handelsplätze, Market Maker und systematischen Internalisierer generieren Einnahmen durch ihre Einbindung in Transaktionen mit Finanzinstrumenten, indem sie sowohl Transaktionsentgelte verlangen als auch versuchen, die Finanzinstrumente selbst zu günstigeren Kursen zu kaufen als sie den Kunden angeboten werden (sog. Bid/Ask-Spread). Dementsprechend versuchen sie, möglichst viele Kundenaufträge von Brokern zu gewinnen. Um dies zu erreichen, bieten sie Brokern die Zahlung von Rückvergütungen für die Weiterleitung von Kundenaufträgen bzw. für die Ausführung dieser Kundenaufträge an einem bestimmten Handelsplatz (also für den sogenannten Order Flow) an.

Mögliche Interessenkonflikte durch potentiell höhere Bid/Ask-Spreads

Hinter dem in Art. 39a MiFIR neu geregelten PFOF-Verbot steht die Überlegung, dass ein Broker durch solche Rückvergütungen zu Lasten seiner Kunden Interessenkonflikten ausgesetzt sein könnte (vgl. Erwägungsgrund (39) MiFIR-Änderungsverordnung).

Der Kern dieser potentiellen Interessenkonflikte besteht darin, dass die Broker durch PFOF-Zahlungen einen Anreiz erhalten, Kundenaufträge bei bestimmten Market Makern bzw. systematischen Internalisierern zu platzieren, ohne den Kunden vor potentiell überhöhten Bid/Ask-Spreads zu schützen. Dem Kunden kann in seiner solchen Situation zwar der Eindruck suggeriert werden, sein Auftrag sei besonders günstig ausgeführt worden, weil der Broker sehr niedrige oder gar keine Transaktionskosten verlangt (da er stattdessen PFOF-Zahlungen erhält). Trotzdem kann die Transaktion für den Kunden aufgrund eines überhöhten Bid/Ask-Spreads unnötig teuer sein. Verglichen mit dem vom Broker erhobenen Entgelt sind Kosten durch überhöhte Bid/Ask-Spreads für Kunden regelmäßig schwerer zu erkennen.

Dem Phänomen Payment for Order Flow liegen letztlich marktökonomische Dynamiken zugrunde: Die starke Tendenz zur Entgegennahme von PFOF-Zahlungen bei Brokern ist direkte Folge des Preiskampfes auf dem Markt der Broker. Durch das PFOF-Angebot können die Market Maker und/oder systematischen Internalisierer Broker an sich binden. Hierdurch können sie enorme Marktmacht entwickeln, wenn sich das Geschäftsmodell der Broker ohne PFOF-Zahlungen nicht mehr rentabel darstellen ließe. Der Eintritt einer solchen Abhängigkeit der Broker von den PFOF-Zahlungen wiederum führt dazu, dass die Market Maker bzw. systematischen Internalisierer höhere Bid/Aks-Spreads zu Lasten der Kunden durchsetzen, um selbst profitabel arbeiten zu können.

Das systematische Risiko für Kunden, das insbesondere der europäische Gesetzgeber mit Payment for Order Flow verbindet, ist letztlich ein reduzierter Wettbewerb auf den Märkten für Finanzinstrumente, auf denen nicht mehr die besten Preise das maßgeblich steuernde Element sind, sondern die (für Kunden regelmäßig schwer nachvollziehbaren) Vergütungssysteme zwischen Brokern und Market Makern bzw. systematischen Internalisierern. Payment for Order Flow könnte zu einer Tendenz der Market Maker bzw. systematischen Internalisierer führen, die Zahlungen an Broker durch schlechtere Kauf- und Verkaufskonditionen für Kunden nicht nur auszugleichen, sondern überzukompensieren.

Standpunkt der Bundesregierung und der BaFin: Mangelnde Evidenz für die Erforderlichkeit eines PFOF-Verbots

Sowohl die Bundesregierung als auch die deutsche Aufsicht stehen dem Verbot von Payment for Order Flow durch die EU eher kritisch gegenüber. Die Bundesregierung hatte in den Verhandlungen zur Änderungen der MiFIR auf die mangelnde Evidenz für die Wirksamkeit bzw. Erforderlichkeit eines PFOF-Verbots hingewiesen und sich gegen das Verbot ausgesprochen.

Die BaFin veröffentlichte im April 2022 eine Studie zur Ausführungsqualität von Ordern auf der Basis von PFOF-Vergütungsmodellen. Sie kam hierbei zu dem Ergebnis, dass „die Ausführung von Aktienkäufen bzw. -verkäufen an PFOF-Märkten mehrheitlich bei kleineren Transaktionsvolumina vorteilhaft“ für die Kunden sei. „Insbesondere bei Transaktionsvolumina bis 2.000 EUR in DAX-Aktien und bis 500 EUR in Nicht-DAX-Aktien erzielen Privatkunden an PFOF-Märkten bessere Gesamtergebnisse […]“. Unklar war nach den Ergebnissen der Studie aber, ob Payment for Order Flow tatsächlich die maßgebliche Ursache der festgestellten Unterschiede war.

Die BaFin sprach sich deshalb aber zunächst für eine umfassende Analyse der markt- und kundenbezogenen Auswirkungen von PFOF aus und lehnte es ab, restriktive regulatorische Maßnahmen ohne ein umfassendes Analyseergebnis zu ergreifen.

Aufsichtsmitteilung der BaFin: Keine Verfolgung von Verstößen gegen PFOF-Verbot

Konsequenterweise hat die BaFin am 22. März 2024 mitgeteilt, dass sie vorerst keine Verstöße gegen das PFOF-Verbot, das ab 28. März 2024 gilt, bei Aufträgen von inländischen Kunden verfolgen wird.

Diese Mitteilung bezieht sich einerseits auf die zeitlich begrenze Ausnahmeregelung in Art. 39a Abs. 2 MiFIR, andererseits auf den im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Entwurf eines neuen § 138a WpHG.

Die deutsche Bundesregierung konnte zwar das PFOF-Verbot auf EU-Ebene nicht verhindern. Die Bemühungen von deutscher Seite führten aber zu der Einfügung einer zeitlich begrenzen Ausnahme bzw. Übergangsregelung in Art. 38a Abs. 2 MiFIR. Danach können Mitgliedstaaten selbst entscheiden, im Inland ansässigen Unternehmen weiterhin die Fortführung der bisher schon bestehenden PFOF-Praxis für inländische Kundenaufträge zu gestatten. Diese Gestattung ist bis 30. Juni 2026 möglich.

Die Bundesregierung hat bereits mitgeteilt, dass sie beabsichtigt, eine entsprechende Übergangsregelung, die eine Weiterführung von PFOF-Geschäftsmodellen bis 30. Juni 2026 ermöglicht, im WpHG einzufügen. Es handelt sich um den neuen § 138a WpHG im Entwurf für das Finanzmarktdigitalisierungsgesetz (BT-Drucks. 20/10280) („FinmadiG“).

Weil das FinmadiG und damit auch § 138a WpHG nicht mehr rechtzeitig zum Inkrafttreten des PFOF-Verbots (28. März 2024) verabschiedet werden können, wird das Verbot von Payment for Order Flow aber zunächst auch in Deutschland unmittelbar aufgrund der Regelungswirkung der Verordnung MiFIR gelten.

Deshalb ist es aus Sicht der BaFin erforderlich, darauf hinzuweisen, dass Verstöße in der Zwischenzeit nicht verfolgt werden. Dies gilt allerdings nur im Hinblick auf solche Verstöße, die dann auch unter die (geplante) Ausnahmeregelung nach Art. 39a Abs. 2 MiFIR und § 138a WpHG fallen werden (also PFOF-Zahlungen für Aufträge von inländischen Kunden, die an inländische Broker gezahlt werden, welche schon vor dem 28. März 2024 ein PFOF-basiertes Gebührenmodell verfolgen). PFOF-Zahlungen für die Weiterleitung von ausländischen Kunden dürfen demgegenüber ab dem 28. März 2024 nicht mehr – auch nicht unter der Ausnahmeregelung – entgegengenommen werden.

Herausforderungen beim Umgang mit dem PFOF-Verbot absehbar

Sowohl für die Unternehmen, die bereits ab dem 28. März 2024 keine Payment for Order Flow Zahlungen mehr entgegennehmen dürfen, als auch für Unternehmen, auf die das PFOF-Verbot erst ab Mitte 2026 Anwendung findet, werden sich im Umgang mit der Verbotsregelung und ihren Details rechtliche Herausforderungen ergeben.

  • Beispielsweise verweist Art. 39a Abs. 1 Unterabs. 1 MiFIR ausdrücklich nur auf Gebühren, Provisionen oder nichtmonetäre Vorteile, die für die Ausführung von Aufträgen an einem bestimmten Ausführungsplatz oder für die Weiterleitung von Aufträgen von Brokern angenommen werden. Damit stellt sich die Frage, wie mit wirtschaftlich ähnlichen Gestaltungen umzugehen sein wird, die nicht eindeutig von diesem sehr konkret beschriebenen Anwendungsbereich umfasst sind. Zu denken wäre hier etwa an Zahlungen von Dritten, die zwar wirtschaftlich den Broker begünstigen, aber nicht als Gegenleistung für die Auftragsausführung an einem bestimmten Ausführungsplatz oder für die Auftragsweiterleitung gezahlt werden; das Gleiche gilt für produktbezogene Vergünstigungen, die gerade nicht mit der Festlegung auf einen bestimmten Ausführungsplatz für den Kundenauftrag einhergehen, wirtschaftlich aber eine ähnliche Wirkung wie klassische PFOF-Zahlungen entfalten können.

  • Zudem fällt auf, dass Art. 39a Abs. 1 Unterabs. 1 MiFIR nur die Entgegennahme von PFOF-Zahlungen verbietet. Damit dürfte kein Verbot für das Angebot von Payment for Order Flow Zahlungen durch Market Maker bzw. systematische Internalisierer einhergehen. Zugleich verbietet Art. 39a Abs. 1 MiFIR gerade nicht sämtliche Vergünstigungen, sondern erlaubt vielmehr ausdrücklich bestimmte Rabatte und Preisnachlässe auf Transaktionsgebühren von Ausführungsplätzen, wenn sie ausschließlich dem Kunden zugutekommen (vgl. Art. 39a Abs. 1 Unterabs. 2 S. 2 MiFIR). Damit werden die Broker mit dem Compliance-Aufwand (und dem damit verbundenen rechtlichen Risiko) belastet, sicherzustellen, dass das Vergütungsgefüge von Market Makern bzw. systematischen Internalisierern keine unzulässigen Elemente eines Payment for Order Flow enthält.

  • Des Weiteren ist noch unklar, inwiefern sichergestellt sein muss, dass ein Broker aus der Vergütungsstruktur eines Market Makers oder eines systematischen Internalisierers keinen monetären Vorteil erlangt (vgl. Art. 39a Abs. 1 Unterabs. 2 S. 2 MiFIR). Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass Broker ihre Gebührenmodelle auch künftig beispielsweise auf die Ausnutzung von zulässigen Rabatten und Preisnachlässen nach Art. 39a Abs. 1 Unterabs. 2 S. 2 MiFIR ausrichten und dadurch (wenigstens mittelbar) monetäre Vorteile infolge eines höheren Auftragsvolumens generieren.

Von zentraler Bedeutung im Umgang mit dem PFOF-Verbot wird insofern die Praxis der Aufsicht sein. Auch für Unternehmen, die vorerst unter die (noch in Gesetzesform zu gießende) Übergangsregelung bis 30. Juni 2026 fallen, wird es erforderlich sein, das eigene Geschäftsmodell innerhalb der Übergangszeit zu überprüfen und sowohl an das Verbot von Payment for Order Flow an sich als auch an die bis dahin entwickelte Aufsichtspraxis der BaFin anzupassen.

Gerade für den deutschen Markt ist das PFOF-Verbot bedeutsam. Verglichen mit dem EU-Ausland pflegten Gesetzgeber und Aufsicht hier bislang einen deutlich liberaleren Umgang mit PFOF-Modellen. Gleichzeitig dürften deshalb aber auch die Lösungen, die der Markt in anderen EU-Mitgliedstaaten entwickelt hat, als eine mögliche Vorlage für eine Anpassung der Geschäftsmodelle deutscher Broker in Betracht kommen.

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