Die prospektfreie Emission von Unternehmensanleihen – erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft?

Hintergrund

Neben großen Konzernen nutzen vermehrt auch mittelständische Unternehmen Anleihen zur Finanzierung ihrer allgemeinen Geschäftstätigkeit oder einzelner Projekte. Dabei werden die Anleihen ganz überwiegend in Form von Inhaberschuldverschreibungen (§§ 793 ff. BGB) begeben und, insbesondere bei kleineren Emissionen, häufig ohne Prospekt angeboten.

Dient die Emission zum Beispiel der Finanzierung einer Immobilienentwicklung, wird die Anleihe regelmäßig durch eine für diese Zwecke gegründete Projektgesellschaft emittiert. Die Rückzahlungs- und Zinsansprüche werden oft durch Grundschulden auf dem Investitionsobjekt besichert. Daneben übernimmt häufig eine natürliche Person, meist ein Gesellschafter des Emittenten, die persönliche Haftung im Wege einer Bürgschaft oder Garantie. Üblich sind weiter Treuhandmodelle, im Rahmen derer ein Dritter die Sicherheiten für die Anleger treuhänderisch hält.

Die Verwaltungspraxis der BaFin

Anleihen dieser Art haben in jüngerer Vergangenheit die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf den Plan gerufen. Nach Auffassung der BaFin wird durch die Begebung der Anleihen erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 2 des Kreditwesengesetzes (KWG) betrieben. Die in der Vorschrift enthaltende Ausnahmeregelung für Inhaber- und Orderschuldverschreibungen (sog. “Bereichsausnahme”) kommt nach Ansicht der BaFin nicht zur Anwendung. Denn die dort geschaffene gesetzliche Ausnahme sei nur dann einschlägig, wenn der Rückzahlungsanspruch ausschließlich aus dem Wertpapier folge. Bestehe daneben ein weiterer selbständiger Rückzahlungsanspruch (etwa aufgrund einer Garantie) sei die Anleihe insgesamt als Einlagengeschäft zu sehen (vgl. BaFin – Merkblatt zum Tatbestand des Einlagengeschäfts, Stand: März 2014, Ziff. II, zuletzt abgerufen am 30.05.2017).

Auch zur Sicherung der Rückzahlungsansprüche bestellte Grundschulden haben die BaFin in den bekannten Fällen nicht zu einer anderen Beurteilung veranlasst. Das ist insofern bemerkenswert, als die BaFin – den insoweit von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen folgend – in ständiger Verwaltungspraxis neben der gesetzlich geregelten Bereichsausnahme eine weitere ungeschriebene Ausnahme vom Tatbestand des Einlagengeschäfts anerkennt. Danach können bestimmte Sicherheiten – unter anderem Grundschulden – den Tatbestand des Einlagengeschäfts ausschließen, sofern sich die Gläubiger aus diesen Sicherheiten jederzeit ohne rechtsgeschäftliche Mitwirkung Dritter befriedigen können (vgl. BaFin a.a.O., Ziff. III). Auch der Gesetzgeber geht davon aus, dass kein Einlagengeschäft vorliegt, wenn die Rückzahlungsansprüche banküblich besichert sind (vgl. RegBegr. BT-Drs. 15/3641 S. 36). Es wäre daher durchaus naheliegend, in den oben skizzierten Fällen allein schon wegen der bestehenden Grundschulden das Vorliegen des Einlagengeschäfts im Ergebnis zu verneinen. Anders jedoch die BaFin, ohne dies näher zu begründen.

Zusammengefasst folgt daraus, dass nach Auffassung der BaFin Inhaberschuldverschreibungen, für deren Rückzahlung eine Garantie abgegeben wurde, als Einlagengeschäft anzusehen sind und zwar auch dann, wenn weitere (bankübliche) Sicherheiten bestehen, die nach Ansicht des Gesetzgebers, der Rechtsprechung und der ständigen Verwaltungspraxis der BaFin den Tatbestand des Einlagengeschäfts im Allgemeinen ausschließen. Anders gewendet können etwa Darlehen oder Spareinlagen, für die keine gesetzliche Ausnahmeregelung gilt, durch die Bestellung banküblicher Sicherheiten unter die ungeschriebene Ausnahme fallen. Für die gesetzlich privilegierten Inhaberschuldverschreibungen gilt dies jedoch nicht, wenn zusätzlich zu den banküblichen Sicherheiten die Rückzahlung der Anlagegelder garantiert wurde.

Folgen für den Emittenten

Hat ein Emittent eine Anleihe unter Verstoß gegen die oben dargestellte Verwaltungspraxis emittiert und kann er keine Erlaubnis zum Betreiben des Einlagengeschäfts (Banklizenz) vorweisen, hat er den verbotswidrigen Zustand grundsätzlich durch unverzügliche Rückzahlung der von den Anlegern investierten Gelder zu beseitigen. Eine Abwicklung der Anleihe trifft den Emittenten mitunter empfindlich, insbesondere wenn er bereits mit der Durchführung des Projekts begonnen und seinerseits Investitionen getätigt hat.

Um dies zu vermeiden, ist nach Erhalt einer entsprechenden Mitteilung der BaFin rasches Handeln gefordert. Eine förmliche Abwicklungsanordnung gemäß § 37 Abs. 1 KWG abzuwarten und sich gegen diese vor den Verwaltungsgerichten zur Wehr zu setzen, ist wegen der teils langwierigen Verfahren und der nicht zuverlässig zu beurteilenden Erfolgsaussichten regelmäßig nicht zu empfehlen. Anzuraten ist vielmehr, frühzeitig Kontakt mit der BaFin aufzunehmen und Alternativen zu einer vollständigen Abwicklung der Anleihe zu erörtern. Insoweit sind die Erfolgsaussichten regelmäßig gut, denn wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist die Behörde gehalten, unter mehreren gleich effektiven Maßnahmen die den Emittenten am wenigsten belastende zu wählen.

Denkbar ist etwa, die Bereichsausnahme für Inhaber- und Orderpapiere durch die Beseitigung der Garantie aus den Anleihebedingungen wieder aufleben zu lassen. Wegen des Gebots der Gleichbehandlung der Anleihegläubiger setzt dies grundsätzlich den Abschluss einer gleichlautenden Vereinbarung mit jedem einzelnen Anleger voraus. Die Anleihebedingungen können jedoch auch eine Änderung im Wege des formalisierten Abstimmungsverfahrens nach dem Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) vorsehen. Die Anwendung des SchVG erlaubt es insbesondere, solche Entscheidungen mit bestimmten Mehrheiten für alle Anleihegläubiger verbindlich herbeizuführen, so dass die Änderung nicht am Widerstand einzelner Anleihegläubiger scheitert.

Mit einer Änderung der Anleihebedingungen allein ist es allerdings häufig nicht getan. Denn üblicherweise existieren separate Sicherheiten- und Treuhandverträge, die ebenfalls zu ändern bzw. aufzuheben sind. In jedem Fall sollten geplante Maßnahmen im Vorfeld mit der BaFin abgestimmt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Behörde verbindliche Auskünfte in der Regel nur nach Vorlage der Entwürfe einer vollständigen Vertragsdokumentation erteilt und die Verbindlichkeit der Auskunft auch nur dann von Bestand ist, wenn die Entwürfe im Nachhinein nicht mehr wesentlich geändert werden. Entsprechendes gilt, wenn für die Emission künftiger Anleihen eine Gestaltung erarbeitet werden soll, bei der eine Verfolgung durch die BaFin nicht zu erwarten ist.

Stellungnahme

Die dargestellte Praxis der BaFin ist sachlich nicht unzweifelhaft. Es besteht schon kein Raum für eine einschränkende Auslegung der Bereichsausnahme für Inhaber- und Orderpapiere. Mit der Bereichsausnahme wollte der Gesetzgeber Unternehmen, die keine Banken sind, die Finanzierung am Kapitalmarkt erleichtern. Dabei traf er ausweislich der Gesetzesmaterialien die Feststellung, dass dem Anlegerschutz durch die Regelungen des Prospektrechts ausreichend Rechnung getragen wird (RegBegr. BT-Drs. 13/7142 S. 63). Der Gesetzgeber sah somit kein Bedürfnis, Inhaber- und Orderpapiere dem Regulierungsregime des KWG zu unterstellen. Dem scheint auch die BaFin teilweise zu folgen. Denn bei großen Anleiheemissionen ist die Abgabe von (Konzern-)Garantien durchaus üblich, ohne dass die emittierenden Unternehmen über Banklizenzen verfügen. Die BaFin sieht also offenbar in dem Prospekt das notwenige Instrument, dessen der Emittent sich bedienen muss, um in die Bereichsausnahme zu fallen. Dem dahinter möglicherweise stehenden Gedanken des Anlegerschutzes wird aber nicht nur dann Rechnung getragen, wenn ein von der BaFin gebilligter Wertpapierprospekt existiert, sondern auch dann, wenn nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) die Erstellung eines Prospekts ausnahmsweise nicht erforderlich ist.

Ein aufsichtsrechtliches Einschreiten aufgrund einer bestehenden Garantie ist auch nicht deshalb geboten, weil Voraussetzung für die Privilegierung von Inhaber- und Orderschuldverschreibungen deren gesteigerte Verkehrsfähigkeit ist (vgl. BaFin a.a.O. Ziff. II) und diese bei Vorliegen der Garantie eines Dritten entfiele. Denn eine Garantie, die wie üblich nicht individuell gegenüber bestimmten Anlegern abgegeben wird, sondern vielmehr gegenüber jedem Inhaber von Schuldverschreibungen, schränkt die Verkehrsfähigkeit der Anleihe keineswegs ein. Dies gilt erst recht in den genannten Treuhandmodellen.

Selbst wenn man aber eine einschränkende Auslegung der Bereichsausnahme befürwortet und deshalb das Vorliegen des Einlagengeschäfts bejaht, ist nicht ersichtlich, weshalb ausgerechnet in diesen Fällen die ungeschriebene Ausnahme bei Bestellung banküblicher Sicherheiten nicht greifen soll. Der Grund für die Ausnahme liegt darin, dass bankübliche Sicherheiten den Anlegern ausreichend Schutz bieten, so dass es in diesen Fällen keines weiteren Schutzes in Form eines Erlaubnisvorbehalts bedarf (in diesem Sinne auch die BaFin a.a.O, Ziff. III). Für die Frage, ob das Anlagevermögen ausreichend geschützt ist, kommt es aber allein auf die Qualität der jeweiligen Sicherheit an und nicht darauf, welche Art von Einlagengeschäft ohne die Sicherheit vorläge.

Die Auslegungspraxis der BaFin führt schließlich zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass eine umfangreichere Besicherung zu einer Verschärfung der aufsichtsrechtlichen Restriktionen führt. So ist etwa die Emission gänzlich unbesicherter Inhaberschuldverschreibungen erlaubnisfrei, während solche, die mit Grundpfandrechten und zusätzlich mit einer Garantie besichert sind, als Einlagengeschäft dem Erlaubnisvorbehalt unterliegen.

Nach alldem sind Rechtsprechung und Verwaltungspraxis aufgerufen, für Klarheit zu sorgen und die aufgezeigten Unstimmigkeiten zu beseitigen. Solange dies nicht geschieht, sollten Emittenten im Rahmen von Anleiheemissionen den hier behandelten Aspekten besondere Beachtung schenken und die gestalterischen Spielräume nutzen, um die Anleihe ohne Bankerlaubnis emittieren zu können.

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